Ein Abend reinsten Theaterglücks

Leos Janáceks „Das schlaue Füchslein“ am Zürcher Opernhaus

oe
Zürich, 16/11/2006

Seit genau einem halben Jahrhundert, seit der legendären Felsenstein-Aufführung von 1956 an der Komischen Oper Berlin gilt Leos Janáceks „Das schlaue Füchslein“ als einer der größten Glücksfälle der Operngeschichte des frühen 20. Jahrhunderts. In seiner so warmherzigen Menschlichkeit ist dieser Hymnus auf das Leben und die Natur, das Einvernehmen zwischen Mensch und Tier, von einer immer wieder erneuerten Kraft der Bestätigung des ewigen Kreislaufs von Werden und Vergehen, die eine der wenigen Sicherheitsgarantien unserer so unsicher gewordenen Existenz darstellt.

So auch jetzt wieder in Zürich, dessen Neuproduktion der „Abenteuer der Füchsin Schlaukopf“ einen der Höhepunkte der laufenden Spielzeit markiert. Er verdankt sich einmal der so ungebrochen vitalen Fabulierlust Janáceks und seiner überströmenden musikalischen Einfallsfülle, und zum anderen einer so wunderbar harmonisch stimmigen Produktion, an der alle Beteiligten gleichen Anteil haben, der hochsensibel auf Janáceks ingeniösen Deklamationsstil eingehende Dirigent Adam Fischer und die Musiker des Orchesters und des Chors nebst den gut zwei Dutzend Solisten, der geradezu liebevoll zärtlichen Inszenierung Katharina Thalbachs und der überbordend phantasievollen Ausstattung Ezio Toffoluttis mit ihren fantastischen Masken und Kostümen.

Es kommt in Zürich aber noch etwas hinzu, was ich so noch in keiner früheren Aufführung des „Füchsleins“ gesehen habe – und das ist die Choreografie, für die Darie Cardyn verantwortlich zeichnet, Belgierin des Jahrgangs 1961, Mudra-ausgebildet, langjährige Solistin des Kölner Tanz-Forums (wo sie auch die Lulu in Jochen Ulrichs nach wie vor maßstäblicher Ballettadaption des Wedekind-Klassikers kreierte), in letzter Zeit auch bei verschiedenen Kompanien als Choreografin tätig. Was sie der Thalbachschen Inszenierung an Choreografie beigesteuert hat, ist beglückend – immer stückbezogen und quasi aus den Toffoluttischen Kostümen heraus entwickelt – als hätte sie zuvor einen Meisterkurs in zoologischer Bewegungstechnik absolviert. Das beginnt mit einem ungemein stimmungssuggestiven sommerlichen Morgengruß der Tiere im Wald, findet dann seinen Höhepunkt in dem turbulenten Hochzeitsdivertissement für die Füchsin und ihren Fuchs und lässt sich keine Episode entgehen, schnell mal ein Tänzchen einzuschieben.

Ich zumindest kann mich nicht daran erinnern, je eine „Füchslein“-Produktion gesehen zu haben, die so tanztrunken war (ganz gewiss nicht die von Hanna Berger choreografierte Felsenstein-Version). Eifrigst daran beteiligt sind die Mitglieder der Opernballettschule, der Kinder- und der Jugendchor nebst dem Statistenverein des Opernhauses, und sie sind mit so ansteckender Gutgelauntheit dabei, dass sie in ganzen Breitseiten ins Publikum schwappt und dort für einen merklichen Temperaturanstieg sorgt. Es ist einer jener lebensprallen Abende, wie man sie sich öfter im Theater wünscht – und wie sie heute leider allzu selten geworden sind.

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