Der geborene Kronprinz

Zum dreißigsten Todestag von Heinz Bosl

oe
Stuttgart, 14/06/2005

Das Bournonville-Festival hat uns alle ganz schön durcheinandergebracht! Und so müssen wir uns heute dafür entschuldigen, erst mit zweitägiger Verspätung daran zu erinnern, dass sich am 12. Juni zum dreißigsten Mal der Todestag von Heinz Bosl gejährt hat.

Beim Blättern durch Max Niehaus‘ schönen, 1975 beim Südwest Verlag in München erschienenen Band „Heinz Bosl“ wird mir wieder nachdrücklich bewusst, was und wen wir durch seinen allzu frühen Tod als gerade mal Achtundzwanzigjähriger verloren haben. Und mit den Fotos und den Kommentaren seiner Mutter, von Konstanze Vernon, Stefan Erler, Dieter Gackstetter, Günther Rennert und Niehaus kommen die Erinnerungen an ihn hoch und das Bewusstsein, dass es einen wie ihn seither nicht mehr gegeben hat. Er war der Kronprinz des deutschen Balletts – wenn überhaupt, dann international eher einem Erik Bruhn als einem Rudolf Nurejew oder einem Michail Baryschnikow vergleichbar.

Vielleicht hat sein Intendant, Günther Rennert, dessen Haus, der Bayerischen Staatsoper, er immer verpflichtet blieb, auch als er an der Seite von Margot Fonteyn immer weitere Ausflüge um den Globus unternahm, am besten zusammengefasst, was ihn unter all seinen Kollegen auszeichnete, als er Abschied nahm von „dem frühvollendeten, überragenden Tänzer, dem liebenswerten, bescheidenen Menschen Heinz Bosl, der, so wie er war, etwas in unsere Zeit herübergerettet hat, das einem fast schon vergessenen Lebens- und Kunstgesetz, dem klassisch-apollinischen Weltgefühl, verpflichtet war.“

An ihn zu erinnern, heißt zugleich, sich an eine Ära zu erinnern, deren Vertreter dem Bewusstsein der heute aktiven Ballettschaffenden weitgehend abhandengekommen sind. An seine Lehrerinnen Erna Gerbl, Kitty Wirthmüller und Helen Kraus-Natschewa. An die Ballettmeister Leonide Gonta, Gustav Blank, Michel de Lutry und Suse Preisser. An die Ballettdirektorenchefs Heinz Rosen, John Cranko und Ronald Hynd. An die Choreografen, mit denen er zusammengearbeitet hat – ohne leider je dem Choreografen zu begegnen, der ihn zu einem persönlichen Instrument seines Willens geformt hätte. Und vor allem natürlich an all die Kolleginnen, denen er ein so selbstloser, felsenfest verlässlicher Partner war, von Heidi Högl, Natascha Trofimowa, Margot Werner, Konstanze Vernon, Gislinde Skroblin, Eva Evdokimova bis zu den Superstars à la Natalia Makarova und Dame Margot.

Wir haben in den dreißig Jahren, die seit seinem Tod vergangen sind, sicher viele hervorragende Tänzer gesehen – auch bei unseren Kompanien –, doch keinen deutschen tänzerischen Thronfolger mit so blaublütigem Adelsprädikat. Rufen wir uns noch einmal die warmherzigen Worte ins Gedächtnis, mit denen sich Dame Margot in ihrem Beitrag in „Ballett 1975“ von ihm verabschiedet hat: „Es ist nicht der Tänzer, an den ich mich in erster Linie erinnern werde. Es ist Heinz Bosl, der Mann, der das Leben liebte, dessen Intelligenz und Sensibilität seinen Jahren weit voraus schienen, dessen raschem Auge nichts entging, und dessen schnelles Gehirn wie in einem Blitz Menschen und Situationen erfasste, und der, obgleich er ein lebhafter und amüsanter Gefährte war, ein Air von Ritterlichkeit und Ehre um sich hatte, das aus einem früheren Zeitalter zu stammen schien.“

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