„Wie man was wird im Leben ohne sich anzustrengen“

oe
Bregenz, 01/08/2004

Nein, zur IA-Klasse der Musicals à la „My Fair Lady“, „West Side Story“ und „Cats“ gehört Frank Loessers „Wie man was wird im Leben ohne sich anzustrengen“ (oder „How to Succeed in Business Without Really Trying“) nicht (immerhin: über 1400 Aufführungen am Broadway). Gleichwohl; wenn ich in meinem Archiv stöbere, entdecke ich, dass es mir jedes Mal enormen Spaß gemacht hat, wo immer ich es gesehen habe und dass ich auch aus London, Chicago und Wien (mit Harald Juhnke und Theo Lingen!) für die Stuttgarter Zeitung darüber berichtet habe. Das war zwar schon in der ersten Hälfte der sechziger Jahre – aber ich erinnere mich noch gut daran. Und fand den Spaß erneut bestätigt, als ich es jetzt wiedersah –  als Abschlussproduktion des Studiengangs Musical an der Folkwang Hochschule in Essen in Koproduktion mit den Bregenzer Festspielen auf der dortigen Werkstattbühne.

Das liegt weniger an der Musik (es hat keine ohrwurmträchtigen Melodien – und auch nicht so rasante Tanznummern wie derzeit die Stuttgarter „42nd Street“-Produktion), sondern eindeutig an dem Buch, das damals denn auch als eins der ersten Musicals den Pulitzer-Preis eingeheimst hat. Es schildert – außerordentlich witzig und intelligent – den Aufstieg eines Außendekorateurs (lies: Fensterputzer – dreißig Jahre vor Pina Bausch) zum stellvertretenden Exekutivdirektor der World Wide Wicket Company – und zwar mittels der Anweisungen eines Handbuchs, die da lauten: gebrauche deine Ellenbogen, stelle deine Kollegen kalt, versuche, die Hobbies und Schwächen deiner Chefs herauszukriegen, mach dir die Firmenmentalität zu eigen, und vor allem sei ehrgeizig, ehrgeizig und noch einmal ehrgeizig!

Das waren also alles ganz junge Leute, die demnächst ins Engagement gehen – und dass sie das tun werden, daran besteht kein Zweifel. Wenn das unser Musical-Nachwuchs ist, gehen wir auf diesem Theatersektor – der ständigen Miesmacherei gewisser Kollegen zum Trotz – glänzenden Zeiten entgegen. Die servierten die Produktion mit einer Verve, mit so sichtlichem Vergnügen und mit so erstaunlichem Profi-Können, dass man sich gern von ihnen anstecken ließ. Die Inszenierung stammte von Gil Mehmert, der schon von seiner Zeit an der Münchner Theaterakademie einen guten Ruf hat und jetzt als Professor in Essen wirkt, und die Choreografie von Michael Schmieder, über den das Programmheft leider keinerlei Informationen bietet (genauso wenig wie über die einzelnen Rollen und ihre Darsteller – die musikalische Leitung hatte übrigens Patricia Martin und die Ausstattung hatte Heike Meixner besorgt). Und die Integration von Inszenierung und Choreografie funktionierte so perfekt, dass man überhaupt nicht merkte, wo das eine in das andere überging. Jedenfalls wurde auf der Bühne ungeheuer gepowert, und das übertrug sich unweigerlich aufs Publikum.

Schon lange nicht mehr so viel gelacht im Theater wie bei dieser Musical-Vorstellung auf der Bregenzer Werkstattbühne! Übrigens bei dieser Gelegenheit gleich noch ein zweites Mal das Weillsche Diptychon aus „Protagonist“ und „Royal Palace“ gesehen. Unbedingt ein Gewinn, auch der „Protagonist“, der mir bei der Erstbegegnung nur bedingt gefallen hatte – und dessen inszenatorisches Raffinement (Nicolas Brieger) mir erst jetzt aufging. Und wiederum große Bewunderung für „Royal Palace“, das natürlich auch musikalisch das viel eingängigere Stück ist und – wie „How To Succeed in Business …“ – als Multimedia-Spektakel durch seine perfekte Integration von Inszenierung, Bühnenraum und Kostüme, Light Design, Choreografie (Thomas Stache), Videofilm und Projektion regelrecht die Sinne betört!

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