Thorsten Kreissig: „Game Over, Petruschka!“

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Würzburg, 20/02/2004

Er ist ein Hansdampf in allen Theatergassen: Thorsten Kreissig, in Reutlingen geborener waschechter Berliner, 41, Entertainer par excellence, Tänzer, Choreograf, Ballettchef, Sänger, Schauspieler, Regisseur, Musical-Allrounder. In Luzern hat er seinerzeit das Ballett ganz schön aufgemischt. Seither vagabundiert er in halb Europa. Jüngst hat es ihn nach Würzburg verschlagen, dessen properes Mainfranken-Theater von einer Finanzkrise in die andere schlittert.

„Game Over, Petruschka!“ heißt sein dort herausgebrachtes neuestes Opus und im Untertitel: „Simulations – Stimulations“. Annonciert ist es als „Ballett mit Orchester“ – und das Philharmonische Orchester Würzburg unter seinem alerten Dirigenten Evan Christ war denn auch der entschieden lohnendste Teil des zweistündigen Abends. Kein Wunder, denn es fungierte als qualitativ anspruchsvollster Zulieferer der Vorstellung: viel Strawinsky, aber auch Philip Glass. Und an die reicht unser wackerer Reutlingen-Berliner eben doch nicht ganz heran.

Ein exzellenter Handwerker ist er allemal. Und so ist denn bei ihm immer viel los auf der Bühne, die ihm Gunter Bahnmüller so geschickt bestückt hat, dass sich immer neue Perspektiven ergeben: da tun sich Versenkungen auf, segeln Stühle aus der Luft herbei, pirouettiert die Drehscheibe, formieren sich die drei Halbbögen in ständig wechselnden Formationen, wird geklettert und abgerutscht an Sprossenwänden und kopfüber in den Abgrund gestürzt. Und es gibt jede Menge stilunterschiedliche Zitate aus „Apollon musagète“, „Feuervogel“, „Dumbarton Oaks“, „Circus Polka“ und fast den kompletten „Petruschka“.

Das Ganze spielt in „Igor‘s Playhouse“ dessen Vorsteher, eine Art Zombie-Guru, „The Incredible Mr. B.“ ist (Alexander Schoofs). An unseren ballettüblichen Mr. B. denken wir dabei lieber nicht. Eher schon an einen gewissen „Very Believable Herrn Th. K.“ – einen Theater-Macker, der diverse „Games“ arrangiert, die ich nicht verstanden hätte, wären da nicht die unüberhörbaren musikalischen (und auch sichtbaren choreografischen) Assoziationen und Anleihen gewesen. Sorry, aber ich bin nie dahinter gekommen, wer denn nun Boss, Checker, Christine, Tom, Sheila, Peter, Eggi, Wally und Missie waren.

Erkennbar waren immerhin Apollo und die Musen (Jerome Gosset und seine Frauen-Seilschaft), Laura, the Invisible (Paula Santos), das Feuervogel-Trio (Anneli Chasemore, Ivan Alboresi und Theresa von Köckritz) und die Petruschka-Ballerina (Kristyn Maree Tindall) nebst Petruschka (Marius Krisan) und Mohr (Artemi Veremeev) samt zwei Soldatinnen (Paula Santos und Annelies Waller). Und das „Petruschka“-Ballett (ohne Volksszenen) war wirklich professionell choreografiert – weit entfernt von Fokine, aber nicht unmusikalisch. Irgendwie taten mir die Tänzer leid, die sich da so weidlich abstrampelten. Zu welchem Behufe? Laut Th. K. zu einem „Spagat zwischen Kunst und Event, Klassik und Moderne, Mythos und Realität“. Aber eine Stippvisite in der schönen Residenzstadt Würzburg lohnt natürlich immer!

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