Richard Adama: ein Amerikaner in Wien

oe
Stuttgart, 21/08/2004

Soll ich ein bisschen schummeln und ihn ein Jahr jünger machen? Dann könnte er in diesen Tagen seinen 75. Geburtstag feiern. Hat er aber bereits vor einem Jahr. Doch das habe ich erst jetzt erfahren – da hat meine Hotline nach Wien offenbar nicht funktioniert. Und so höre ich jetzt von zwei charmanten Adamitinnen aus Hannover, dass es damals, am 8. August 2003, ein richtiges Fest für Richard Adama im Schubert-Saal des Wiener Konzerthauses gegeben hat – in dem Haus also, in dem er heutzutage, wie ich höre, viel öfter anzutreffen ist als in der Staatsoper, wo ich ihm zuerst begegnet bin.

Das war vor fast einem halben Jahrhundert, im gerade wieder erstandenen Haus am Ring, wo er bei der Uraufführung von Boris Blachers und Erika Hankas „Mohr von Venedig“ den Jago kreiert hatte (mit Willy Dirtl als Othello und Christl Zimmerl als Desdemona). Vorher war er, in Kalifornien geboren und ausgebildet bei Bronislava Nijinska, Michel Panieff und David Lichine, beim Ballet Russe des Colonel de Basil engagiert gewesen, beim Marquis de Cuevas, in Rio de Janeiro und kurz sogar auch bei Béjarts Ballets de l‘Étoile (als Petruchio in Béjarts „Der Widerspenstigen Zähmung“ – im gleichen Programm übrigens, in dem Béjart mit Solange Schwarz – der Bellastriga in Luiparts Münchner „Abraxas“-Uraufführung 1948 – den „Don Quixote“-Pas-de-deux tanzte – kann man sich das heute überhaupt noch vorstellen?). 1955 hatte ihn Hanka als Gast nach Wien verpflichtet, wo er dann rasch Erster Solist wurde und neben Dirtl, Paul Vondrak und dem blutjungen Karl Musil vor allem als Klassiker reüssierte (namentlich in Gordon Hamiltons „Giselle“), aber auch in allen Hanka-Kreationen dabei war: viel gerühmt ob seiner Musikalität, aber auch als ein fescher Bursche, der sich doch wesentlich von seinen Wiener Kollegen unterschied (und beispielsweise in Hankas „Hotel Sacher“ als Leutnant Sandor wie von der West Point Academy an die Donau beurlaubt schien).

In Wien ist er dann wohl auch zuerst Yvonne Georgi begegnet, die ihn 1961 als ihren engsten Mitarbeiter nach Hannover verpflichtete, wo man noch heute von seinem „Schwanensee“ schwärmt – mit dem „Schwarzen Schwan“ an originaler Stelle im ersten Akt (damals eine Sensation). Er war dann von 1964 an vier Spielzeiten Ballettchef in Bremen, mit zahlreichen Einstudierungen, darunter auch eine hoch gerühmte „La Sylphide“, die definitiv seinen Ruf als „Klassiker“ bestätigte (aber ich entsinne mich auch noch gut an seine Rameau-„Platée“, die ja gerade jüngst erst fürs Repertoire wiederentdeckt worden ist). Er war dann als Nachfolger von Georgi 1969 bis 1973 Ballettdirektor in Hannover – und wenn ich mich recht erinnere, war die letzte herausragende Produktion, die ich von ihm sah, Glucks „Don Juan“ bei den Wiener Festwochen 1969. Danach habe ich wohl gelegentlich von ihm gehört, auch dass er Wien zu seinem Wohnsitz erkoren hatte, aber begegnet bin ich ihm nicht mehr.

Jetzt erfahre ich, dass er in den Folgejahren regelmäßig Dozent beim Internationalen Sommer-Ballettseminar der Gesellschaft für Musiktheater in Wolfsegg, Oberösterreich, war und noch 2003 Ausschnitte aus „La Sylphide“ für die Japan-Tournee der von Karl Musil geleiteten Ballettabteilung des Wiener Konservatoriums einstudiert hat. Mein Gott, was waren das doch für Zeiten – vor einem halben Jahrhundert, wenn ich zurückdenke an den noch nicht einmal dreißigjährigen Adama – und an seine Wiener Kollegen à la Hanka und Hamilton, an Edeltraud Brexner, Margaret Bauer, Christl Zimmerl, Erika Zlocha und Susanne Kirnbauer, an Dirtl, Vondrak, Musil, Richard Nowotny und Heinz Weitz.

Ich krame in meinem Archiv und entdecke, dass ich Adama zuerst in Wien 1957 in einer Vorstellung von „Hotel Sacher“ gesehen habe. Es war eine Gala anlässlich des Staatsbesuchs von Konrad Adenauer. Adenauer als zwangsverpflichteter Gast in einer Ballettvorstellung der Wiener Staatsoper, und das ausgerechnet in „Hotel Sacher“! Aber vielleicht hat ihm das ja sogar gefallen – im Gegensatz zu Bartóks „Wunderbarem Mandarin“, den er als Oberbürgermeister von Köln aus moralischen Gründen gleich nach Uraufführung 1926 verbieten ließ. Also meinen um ein Jahr verspäteten Jubiläumsglückwunsch nach Wien!

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