News Around the World

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Stuttgart, 07/07/2004

Nachdem unsere Tageszeitungen kaum noch über Tanzereignisse und Nachrichten berichten, die über ihren lokalen Horizont hinausreichen (ausgenommen das eine oder andere Blatt) und auch unsere Fachzeitschriften, wenn überhaupt allenfalls mit großer Verspätung über internationale Ereignisse und Trends informieren, verfolge ich die mir zur Verfügung stehenden ausländischen Publikationen mit doppeltem Interesse. Hier sind ein paar News, die ich der Juli-Ausgabe der englischen „Dancing Times“ entnommen habe, über die ich in der deutschen Presse bis jetzt jedenfalls nichts gelesen habe.

Der Hauptartikel in der neuen DT widmet sich dem vom 19. Juli bis zum 7. August in Covent Garden stattfindenden Gastspiel des Moskauer Bolschoi-Balletts, das erstmals wieder seit fünf Jahren in großer Besetzung in der Themse-Metropole antritt. Darin werden die neuen Persönlichkeiten und die kulturpolitischen Richtlinien und Pläne von Alexander Ratmansky vorgestellt, der seit Januar dieses Jahres die Kompanie leitet. Mit besonderer Spannung erwarten die Londoner Pierre Lacottes Rekonstruktion von Petipas „Pharaos Tochter“, die in Moskau heftigst umstrittene angeblich avantgardistische neue Produktion von Prokofjews „Romeo und Julia“ (inszeniert von dem englischen Schauspielregisseur Declan Donnellan zusammen mit dem moldauischen Choreografen Radu Polditaru) sowie „Don Quixote“, in dem sich Alexei Fadeyechev eng an die Version von Alexander Gorsky vom Anfang des vorigen Jahrhunderts gehalten haben soll.

Die erste Premiere in Moskau wird dann im Dezember dieses Jahres John Neumeiers „Sommernachtstraum“ sein, gefolgt im Frühjahr 2005 von einem kompletten Massine-Abend mit dem „Dreispitz“, „Gaité Parisienne“ und „Les Présages“ (Tschaikowskys Fünfte). Für 2006 und den dann hundertsten Geburtstag von Schostakowitsch plant Ratmansky die drei von ihm selbst choreografierten Schostakowitsch-Ballette „Der breite Strom“ (damit hat er bereits im Vorjahr in Moskau die „Goldene Maske“ gewonnen), „Das Goldene Zeitalter“ und „Der Bolzen“. Interessant dürfte auch die erneute Auseinandersetzung mit solchen Klassikern des Sowjetrepertoires wie „Der rote Mohn“, „Laurencia“ und „Flamme von Paris“ sein.

In einem Leserbrief in der gleichen Ausgabe weist Francis Francis, in Genf European Administrator des George Balanchine Trust, empört den kürzlich in der DT erschienenen Bericht von Igor Stupnikov über die angebliche Balanchine-Müdigkeit bei der jüngsten Premiere der Einstudierungen von „Vier Temperamente“, „La Valse“ und „Ballet Imperial“ durch das St. Petersburger Mariinsky-Ballett zurück. Keine Begeisterung bei der Premiere am 13. April? Der Inspizient habe ihm am darauf folgenden Morgen bestätigt, dass es am Schluss 17 Vorhänge gegeben habe! Stupnikov selbst meldet in seinem monatlichen „Letter from St. Petersburg“, dass die Stadt einen neuen Palast des Tanzes bauen wird, der 2008 eröffnet werden und als Residenz des Tanztheaters von Boris Eifman dienen, aber auch anderen Kompanien offenstehen soll. Als Grundstück ist eine ehemalige Chemiefabrik an der Newa vorgesehen, das als Embankment of Europe eine großzügige Bebauung mit großem Business Center, Laden-Passagen und Wohnungen erfahren soll.

In den International Reports berichtet unter anderen Jack Anderson aus New York über eine Neuproduktion von „Raymonda“ beim American Ballet Theatre, für die Anna-Marie Holmes and Kevin McKenzie verantwortlich zeichnen – ohne sich sonderlich dafür erwärmen zu können. In London erging es Zoe Anderson bei der Neueinstudierung von Frederick Ashtons „A Tragedy of Fashion“, Ashtons erstem Ballett überhaupt aus dem Jahr 1926, choreografiert von Ian Spink fürs Ballet Rambert nicht viel anders. Freundlicher äußert sich Mary Clarke über die Wiederaufnahme von Crankos „Onegin“ beim Royal Ballet, mit Tönen höchster Bewunderung für die Besetzung mit Johan Kobborg (Onegin), Alina Cojocaru (Tatjana) – dort auch ein Zitat der Kritik von Jann Parry in „The Observer“: „Cojocaru and Johan Kobborg are in a different league from the rest of the cast, taking the ballet from operetta into full blown tragedy“. Clarke meint zum Schluss: „Fundamentally I think ‚Onegin‘ could have been condensed and strengthened into a two act ballet – a length Frederick Ashton perfected.“ Ausnahmsweise einer Meinung mit Lady Mary!

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