Mozart, Rossini und Ravel - von Kylián, Lightfoot/Léon und Spoerli

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Zürich, 03/04/2004

Mozart, Rossini und Ravel: auch der neue Ballettabend im Zürcher Opernhaus punktet wieder mit seinem musikalischen Anspruch. Dass er eingelöst wird, dafür sorgen der mit den Tänzern atmende Dirigent Nicolas Chavin, Zürichs Ballettpianist Alexey Botvinov, das Orchester der Oper und der Zusatzchor des Opernhauses – denn als Schlusswerk steht „Daphnis et Chloé“ auf dem Programm, Ravels „Symphonie chorégraphique“, in voller Länge und mit Chor. Jahre, wenn nicht über ein Jahrzehnt, dürfte es her sein, dass ich die zuletzt im Theater erlebt habe (bei John Neumeier?). Alexander Pereira sei Dank! Zunächst also Jiří Kyliáns „petite mort“, sein Mozart-Erotikon für sechs Paare und sechs Säbel (sehen eigentlich mehr nach Degen aus). Im Grunde ist dies ein reines Männerballett, in dem Frauen lediglich als Staffage für deren sexuelle Präparationen dienen. Und die Boys der Spoerli-Truppe machen das süperb – als ob sie eine Trainingsstunde des Marquis de Sade absolvierten. Mozarts viel zitierter Eros – hier nun einmal pur (und nicht gesoftet wie in seinen Opern).

Und danach dann also Paul Lightfoot und Sol Léons „Skew-Whiff“ zu Rossinis Ouvertüre „Die diebische Elster“. Das ist der Wackelpudding-Pas-de-quatre. Den habe ich freilich von der Stuttgarter Einstudierung her viel pfiffiger und aromatischer, nicht gar so grob handgreiflich in Erinnerung. Oder liegt' s daran, dass dies ein Stück ist, das beim ersten Sehen sein ganzes Pulver verschießt und bei der Wiederbegegnung dann doch recht schal wirkt? „Daphnis et Chloé“ hat Spoerli jetzt zum ersten Mal gemacht – erstaunlich bei der langen Liste seiner Diaghilew-Ballette (es fehlt aber auch noch „Der Dreispitz“ – und besonders gern sähe ich von ihm einmal, da er über eine gehörige Portion Humor verfügt, Prokofjews „Chout“).

Auf Florian Ettis Bühne erwartet man angesichts des in der Luft schwebenden Torsos eine Art Dali-Ballett – darin bestärkt durch den kopfüber aufgehängten Wald grüner Bäume. Aber dann wird es doch noch recht mediterran – ein bukolische Idylle, mit ausgesprochen liebevoll hingestrichelten Figuren – nicht nur die beiden Protagonisten, die zärtlich-scheue Yen Han und der überströmend vollherzige David Karapetyan, sondern auch der kletterfreudige Pan von Dirk Seger, die verführerische Karine Seneka als Lycéion und den virtuos sich ins Zeug legenden Tigran Mikayalyan als Dorkon – und nicht zu vergessen die beiden geradezu explodierenden Zwillinge Oleksandr und Sergiy Kirichenko.

Immer wieder bewundert man die einfühlsame Musikalität Spoerlis – auch in den großen Gruppenformationen, die von den Zürchern mit eskalierender Dynamik hingebrettert werden und Energie pur kommunizieren. Spoerlis Musikalität hindert ihn allerdings auch, in die musikalische Struktur einzugreifen. Und es muss leider gesagt werden, das Ravels Sinn für Timing und dramaturgische Proportionen nicht besonders stark ausgeprägt war, so dass es verschiedentlich zu Längen und Überlängen kommt, die einem Choreografen ganz schön zusetzen können. Vielleicht ist ja Ravels „Daphnis et Chloé“ als „Symphonie chorégraphique“ doch am besten mit geschlossenen Augen zu hören und auf der Bühne seiner Fantasie getanzt zu belassen.

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