Katja Schneider: „Alle Kinder tanzen gern“

oe
Stuttgart, 21/07/2004

Ein Taschenbuch, dem nicht mein primäres Interesse gehört. Tanzende Kinder: na ja – das ist etwas für Schulveranstaltungs-Matineen, und es ist ja auch ganz putzig, wenn sie in „Dornröschen“ als Girlanden tragende Mädchen und Jungen über die Bühne hüpfen. Aber das bewegt sich doch auf einer anderen Ebene als der meinen. Und da mögen uns eminente Ballettautoritäten immer wieder versichern, wie wichtig für sie diese frühen Erfahrungen der Teilnahme an den großen Klassikerproduktionen waren: ich bin im Grunde immer froh, wenn diese Szenen vorbei sind und die Profis wieder das Tanzen haben.

Und so habe ich mich Katja Schneiders „Alle Kinder tanzen gern – Wie Tanzen Kinder fördert und erfüllt“ mit großer Skepsis genähert – auch wenn ich sie als Kritikerin ausgesprochen schätze und bewundere, wie sie tänzerische Bewegungsabläufe zu veranschaulichen imstande ist – ganz zu schweigen von ihrer Koautorenschaft an „Reclams Ballettführer“, in dem ich inzwischen mindestens ebenso oft nachschlage wie in „Reclams Ballettlexikon“. Und habe dann doch bereits im Vorwort mich von ihrer Begeisterung anstecken lassen und von ihrem Enthusiasmus durch die 190 Seiten dieses Büchleins tragen – ach was, tragen: katapultieren lassen.

Um am Schluss ihrer kühnen, frei nach Laban abgewandelten These „Jedes Kind ist ein Tänzer“ beizupflichten. Nur jedes Kind? Ich möchte behaupten: Jeder, der überhaupt Freude am Tanzen hat, ob er oder sie ihn nun praktiziert oder nicht oder ihm auch nur zusieht, ist ein Tänzer – zumindest wenn er mit Katja Schneider dieses Buch durchtanzt hat. „Kluge Kinder tanzen gern – Tanzen ist Nahrung für Gehirn und Seele“ ist das erste Kapitel überschrieben – und schon hier wird deutlich, was die Besonderheit dieses Buches ausmacht: die Personalunion der Autorin als Mutter, Publizistin und Pädagogin. Und so geht sie von den Grundphänomenen des kindlichen Sich-Bewegens aus und schreitet zu immer komplexeren Bewegungsmechanismen fort – und durcheilt dabei die ganze Kulturgeschichte des Tanzes von seinen Uranfängen bis zum heutigen „Tanzen für Erwachsene“, denen sie Mut macht: „Zum Tanzen ist man nie zu alt!“.

Zustande gekommen ist so eine allgemeinverständliche Enzyklopädie des Tanzes, in der nichts ausgelassen ist – nicht die verwandtschaftliche Beziehung zwischen Tanz und Musik, nicht die ungeheure Vielseitigkeit des Tanzes zwischen Ballett, Modern Dance, Jazztanz, Street Dance, Hip-Hop und Break Dance, nicht das dringende Plädoyer für den Männertanz (im Kapitel „Looking for very strong he-men“), nicht der praktische Hinweis „Wie finde ich eine gute Schule?“ und natürlich auch nicht die Tipps für die „Tänzerische Hochbegabung – Tanzen als Beruf – Förderung von Hochbegabten“. Dem allen schließt sich dann noch ein Anhang an: „Wichtige Begriffe – kurz erklärt“ (Von Akrobatik, Arabesque und Ausdruckstanz bis Waganowa, Warm-up, Wigman und Yoga) und Literatur „Zum Weiterlesen“.

Das Beste ist freilich dieser unwiderstehliche Enthusiasmus, mit dem Katja Schneider den Leser hineinreißt in den Mahlstrom ihrer Botschaft, mit der sie wieder bei Laban endet: „Jeder Mensch ist ein Tänzer!“ Laban hat mich nicht unbedingt überzeugt. Katja Schneider hundertprozentig! (Katja Schneider, „Alle Kinder tanzen gern – Wie Tanzen Kinder fördert und erfüllt“, Beust Verlag, Wiesbaden 2004, 192 Seiten, 12,95 Euro)

Kommentare

Noch keine Beiträge