Giacomo Meyerbeer: „L'Africaine“

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Strasbourg, 20/06/2004

Viel gerühmt, doch äußerst selten anzutreffen auf der Bühne, gilt Giacomo Meyerbeers „L´Africaine“, Opera in cinq actes, über deren Vollendung der Komponist ein Jahr vor der Pariser Uraufführung starb, als sein exotisches Vermächtniswerk. Sechs Stunden dauerte die Premiere 1865. Ein jüngerer Wiederbelebungsversuch an der Berliner Staatsoper vor gut zehn Jahren verschwand rasch wieder vom Repertoire. Die Anforderungen, gesanglich, ausstattungsmäßig und bühnentechnisch sind gewaltig. Ich sah „L´Africaine“ zuletzt 1978 in Covent Garden als Koproduktion mit dem Maggio Musicale Fiorentino, mit Grace Bumbry und Placido Domingo in den Hauptrollen, Choreografie: Alfred Rodrigues, der damals mit einem „Bluthochzeit“-Ballett nach García Lorca viel internationales Aufsehen erregte.

Jetzt brachte die Opéra National du Rhin in Strasbourg die schöne Afrikanerin, Königin einer paradiesischen Insel vor der Küste Afrikas, die sich unsterblich in den portugiesischen Conquistador Vasco da Gama verliebt, erneut auf die Bühne – dankenswerterweise in einer verknappten Version von 200 Minuten. Es war eine durchaus lohnende Begegnung – meilenweit entfernt von Stuttgarter Musiktheater-Vorstellungen, aber durchaus ansehens- und vor allem hörenswert. Und wohl eher per Zufall mit exaktem Timing – genau zu dem Zeitpunkt, da Portugal mit der Europa-Fußballmeisterschaft im Mittelpunkt des internationalen Interesses steht. Und mit Ballett!

Über die Uraufführungschoreografie ist so gut wie nichts bekannt. Immerhin stammte sie von Arthur Saint-Léon, der selbst in den einschlägigen Publikationen (ich denke an Reiner Zimmermanns Meyerbeer-Standardbiografie, vor allem aber natürlich an Ivor Guests „Ballet of the Second Empire“ sowie an den Band „Meyerbeer und der Tanz“ von Gunhild Schüller-Oberzaucher und Hans Moeller) gerade noch mit Namen erwähnt wird, ohne irgendwelche detaillierteren Informationen über seine Tanzbeteiligung an der Uraufführungsproduktion. Im Original heißt es „Ballet und Tänze im IV. Akt“, ausgeführt von „Priesterinnen, Brahminen, weibliche Wache, Jongleure, Krieger, die Königin, Inderinnen“. Es handelt sich um rituelle Hochzeitstänze anlässlich der (Schein-)Hochzeit Sélikas und Vasco da Gamas (der in Wirklichkeit seine portugiesische Verlobte liebt – und für deren Glück Sélika sich schließlich aufopfert, indem sie einsam unter dem vergifteten Manzanillabaum stirbt).

So aufwendig geht‘s in Strasbourg denn doch nicht zu! Die ziemlich umfangreiche Tanzeinlage stammt von Cookie Chiapalone (welch ein hübscher Name!), die im biografischen Teil des Programmheftes als eine vielbeschäftigte französische Opernchoreografin ausgewiesen ist. Vier Tänzerinnen, sechs Tänzer, dazu fünf Akrobaten und ein paar Figuranten fungieren als Equipe, die die Tänze ausführen, die Männer mit wilden kriegerischen Sprüngen, die Frauen angemessen weiblich sanft, mit schwungvollen Lineaturen. Irgendwelche ethnischen Ambitionen habe ich nicht entdecken können, den exotischen Look steuern eher die Kostüme von Daniel Ogier bei.

Ein Tänzersolist ist auch mit dabei, den ich aber nicht identifizieren konnte – ein schwarzer Ledermann (die anderen Tänzer sind eher halbnackt und bemalt und tätowiert) – offenbar ein besonders ungezähmter Bursche, wie ein Gast aus einer „Le Corsaire“-Produktion. Jedenfalls war das ein durchaus lohnender Abstecher über den Rhein – schon der Musik Meyerbeers wegen!

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