Arrigo Boito: „Mefistofele“, Oper in einem Prolog, vier Akten und einem Epilog

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Karlsruhe, 01/06/2004

Wieder eine Grand Opéra, in der italienischen Meyerbeer-Nachfolge, natürlich mit Ballett – und wieder eine Produktion, natürlich ohne Ballett. Das letzte Mal auf der gleichen Bühne des Badischen Staatstheaters Karlsruhe 1985 als Gastspiel der Straßburger Opéra du Rhin – mit Beteiligung der Groupe chorégraphique de l´Opéra du Rhin in der Choreografie von Pieter van der Sloot, einem Holländer, der in den fünfziger und sechziger Jahren hauptsächlich in Italien wirkte. Die fand ich allerdings damals „geradezu unsäglich kitschig“. Dabei hätte gerade Karlsruhe mit seiner so erfreulich aktiven Birgit-Keil-Kompanie – zweifellos der Ballett-Aufsteiger der Spielzeit – mit seiner Ballettbeteiligung an der Inszenierung ein Zeichen in der Rezeptionsgeschichte der Oper setzen können. Doch auf dem Besetzungszettel wird neben dem Regisseur Alexander Schulin kein Choreograf genannt, und unter den Kollektiven gibt es außer dem Chor, Extrachor und Kinderchor nebst Statisterie keinen Verweis auf die Mitwirkung von Tänzern.

In der Partitur heißt es allerdings – Ballett: Volk, Hexen, Hexenmeister, Choretiden, Sirenen, Doriden. Erstere werden für den Osterspaziergang (Volk) und den Sabbat auf dem Brocken (Hexen) verlangt, letztere für die paradiesischen Gefilde der klassischen Walpurgisnacht am Ägäischen Meer. Obgleich der Regisseur den beiden Hauptdarstellern exzessive pantomimische Aktionen abverlangt, hütet er sich, ihnen oder dem viel beschäftigten Chor irgendwelche tänzerischen Aufgaben zu stellen. Was sich besonders nachteilig beim Osterspaziergang auswirkt, der bekanntlich in Gounods „Faust“ mit der Walzerszene der Kirmes für einen Höhepunkt des szenischen Geschehens sorgt. Und auch der Hexensabbat auf dem Brocken (ein weiterer Höhepunkt bei Gounod) wirkt in Karlsruhe eher harmlos und verlegen.

Dafür hat er sich allerdings für die klassische Walpurgisnacht bei Helena etwas einfallen lassen, was als Anregung für weitere Inszenierungen von Ballettopern dienen könnte, wenn man sich denn – aus welchen Gründen auch immer – zum Verzicht auf eine direkte Ballettbeteiligung entschließt. Indem er nämlich verwischte Geisterreigen (die Choretiden, Sirenen und Doriden) projiziert. Die sehen aus wie jene Mädchenreigen, wie man sie von vergilbten Postkarten à la Laban vom Monte Verità oder von Isadora Duncan aus klassischen griechischen Gefilden kennt. Die verleihen dieser Szene einen leicht surrealistischen Hauch – was durchaus seinen Effekt macht. Was ich mir gut auch etwa für den Sylphenreigen in Berlioz‘ „Fausts Verdammnis“ vorstellen könnte.

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