Weihnachts-Ballettbescherung

oe
Stuttgart, 24/12/2003

Gleich zweimal großes Ballett im Fernsehen am Heiligabend – und das zur besten Sendezeit! Muss ja nicht sein, sagte ich mir – und war dann doch neugierig. Via 3sat im Doppelpack Fokines „Scheherazade“ und „Feuervogel“ und bei Arte Spoerlis „Cinderella“. Gleichwohl: eine eher gemischte Erfahrung. Fokine von der „besten Ballettkompanie der Welt“, dem Kirow-Ballett (leben die beim Fernsehen hinter dem Mond – immerhin spielte ja das Orchester des Mariinsky-Theaters) – wenigstens nicht mehr aus Leningrad, sondern aus St. Petersburg. „Cinderella“ vom Zürcher Ballett, „einer Compagnie von Weltruf“ – in einer Produktion, die „den Spagat zwischen traditionellem Tanz und stringenter Modernität“ schafft. Na ja!

Von „stringenter Modernität“ kann bei den Fokines allerdings kaum die Rede sein. Die gab es in den Fassungen, die Liepa-Sohn Andris und Fokine-Enkelin Isabelle 1993 speziell fürs Fernsehen präpariert hatten (und die inzwischen auch auf DVD erschienen sind – siehe kj vom 21. Februar dieses Jahres) – hier nun zurückübertragen auf die Bühne, in der Petersburger Besetzung (mit Zakharova und Ruzimatov in „Scheherazade“ und Vishneva nebst Jakovlev im „Feuervogel“). Beides derartig dekorativ überladen (neu ausgestattet – angeblich nach den Originalen) und so fürchterlich museal pantomimisiert (mit Kastschej als reinster Knallcharge), dass auch die hochgradige Besetzung nichts zu retten vermochte.

Fokine in allen Ehren, aber das ist nun wirklich Ballett zum Abgewöhnen! Eine angenehme Überraschung dagegen die „Cinderella“ aus Zürich (die ich wegen der Überschneidung der Sendungen – musste das sein? – erst vom Ballakt an sehen konnte) – ausgesprochen intelligent gefilmt von dem Newcomer Andy Sommer, so dass man den Eindruck einer hocheleganten Produktion in einem großen Opernhaus hatte. Irgendwie wirkte die ganze Einstudierung weltstädtischer als auf der Zürcher Bühne – geradezu rauschhaft die farbenfrohen Kostüme von Johan Engels, deren Stoffqualität man geradezu mit den Fingerspitzen ertasten zu können meinte. Spoerlis Choreografie großzügig, fließend, ganz eingebettet in die Musik (nur die Bolschoi-, Paris- und London-Episoden sperren sich in dieser Choreografie gegen die Musik, so dramaturgisch stimmig sie sich auch in das Konzept dieser Inszenierung fügen).

Mit Karine Seneca und Stanislas Jermakov in den Hauptrollen – auch sie beide eleganter als ich sie je auf der Bühne gesehen habe. Das Ballett gehört nicht gerade zu meinen Favoriten, und ich finde die Musik bis auf den Bitterschokoladen-Walzer ausgesprochen banal im Vergleich zu den früheren Prokofjews (und hoffe sehr, dass Anderson sie uns in Stuttgart noch eine Weile erspart). Doch wie es hier getanzt wurde, so abwechslungsreich choreografiert und so harmonisch und – fast hätte ich schon wieder geschrieben: elegant ausgeführt, also sagen wir lieber: so schwungvoll präsentiert – fügte es sich charmant in das Programm dieses Abends.

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