Ponec: Prags erste Bühne für den modernen Tanz

Tanec Praha Festival und die Tschechische Tanzplattform in Prag

Stuttgart, 28/04/2002

Das jährliche Tanec Praha Festival und die Tschechische Tanzplattform als Forum für junge Choreografen fanden 2002 erstmals in einem eigenen Haus statt. Das alt-neue Theater, Ponec, gehört nun der von Yvona Kreutzmannová geleiteten Organisation Tanec Praha, nachdem es gelungen ist, verschiedene Institutionen zu bewegen, die nötigen finanziellen Mittel für die Renovierung der 1888 gegründeten Fabrik zur Verfügung zu stellen. Nach dem ersten Weltkrieg wurde das Gebäude von Frantisek Ponec zu einem der ersten Kinos in Prag umgebaut. Von aussen sieht das Theater noch immer wie eine Ruine aus. Im Innern freilich ist es zu einem Studiotheater mit modernem Beleuchtungsapparat, effizienter Klangtechnik und beweglicher Bestuhlung ausgebaut worden. Das Ponec steht nun das ganze Jahr dem Tanz zur Verfügung.

Erstmals fand jetzt dort vom 19. bis zum 25. April die Tschechische Tanzplattform statt. Einige der Werke der jüngeren Choreografengeneration hatten ein hohes künstlerisches Niveau. Zum Beispiel „Shallow Breathing“ von Zuzana Viltousová & Kristyna Cellbová, eine amüsante Parodie auf Olympische Spiele und Spartakiaden, die von fünf jungen Tänzerinnen und Tänzern mit grosser Energie präsentiert wurde. Besonders schön war das olympische Feuer auf Plastikbändern und der Tanz mit der Kollektion von Tennisschuhen. Ein Teil der Vorstellungen fand an einem anderen Ort statt, einem alten Atombunker, der als Experimentierbühne dient: Alfred ve dvore (Bei Alfred im Hof) - „Figures in a Landscape“ von Pierre Nadoud, das den Untertitel „Everyday acrobatics according to Francis Bacon“ trägt. Die bedrückende Atmosphäre der Bilder des britischen Malers, die von Einsamkeit und Existenzkampf mit sich selbst handeln, materialisieren sich in Bildern von düsterer Schönheit. Die fünf Interpreten befinden sich auf einem hellen hölzernen Hügel und bewegen sich mit Tisch, Stühlen, Waschschüssel und Toiletten. Unter den Ausführenden ist auch ein hochgewachsener Tänzer mit verkrüppelten Armen wie der Baconschen Fantasie entsprungen. Dass die Integration eines solchen Tänzers heute als Faktum akzeptiert wird, ohne dass es einer besonderen Erklärung des Choreografen bedarf, ist immerhin ein positiver Fortschritt. Das technisch anspruchsvollste und ästhetisch perfekteste Stück des ganzen Programms war „Bent Forward Backward“ von Lenka Ottová. Es beginnt, wie heute leider üblich, mit überflüssigem Bühnennebel, entwickelt sich dann jedoch zu einem faszinierenden Sommernachtstraum der Liebe: ein farbiges, lustiges, freches und sehr musikalisches modernes Werk voller Phantasie.

Die Auswahl der Tanzplattform war vielgestaltig, mit einer weiten Skala, die vom Banalen bis zum Individuellen reicht - wie es von einem solchen Forum zu erwarten ist. In den kommenden Wochen wird im Theater Ponec das jährliche Tanec Praha Festival stattfinden. Im Foyer hängt ein Bild vom Anfang des 20. Jahrhunderts, auf dem ein Herr mit einem Franz-Joseph-Schnurrbart zu sehen ist. Das ist Frantisek Ponec, der einst die Fabrik leitete. Er kann sich im Jenseits wundern und freuen, was aus seinem Kino geworden ist. Wie in Prag verlautet, soll zur nächsten Spielzeit auch die Fassade renoviert werden, so dass der Bau dann definitiv wie ein modernes Tanztheater aussehen wird.

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