Hector Berlioz „Les Troyens“

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München, 08/07/2001

Tanz satt bietet die strichlose, nahezu sechsstündige Neuinszenierung von Hector Berlioz´ „Les Troyens“, Frankreichs mediterrane Antwort auf Richard Wagners nordischen „Ring des Nibelungen“. Gibt es überhaupt eine andere Oper, in der so viel Tanz gefordert ist? Im ersten Akt Marsch und Hymne, darauf Faustkampf – Tanz der Ringkämpfer, gefolgt von der Pantomime Andromaches, die ihres Gatten Hector Tod betrauert. Im dritten Akt Einzug der Handwerker, Einzug der Seeleute, Einzug der Landarbeiter. Im vierten Akt als Eröffnungsbild die zehn Minuten lange Pantomime „Königliche Jagd und Gewitter“ – im zweiten Bild dann drei Ballette als Tanz der ägyptischen Tänzerinnen, Tanz der Sklaven, Tanz der nubischen Sklavinnen.

In München bewerkstelligen das der englische Regisseur Graham Vick und Ron Howell als sein ständiger choreografischer Zulieferer mit einer Tanzgruppe von fünf Damen und drei Herren nebst einem Bewegungschor aus fünfzehn Personen – aber auch der Chor und die Statisterie sind mächtig gefordert. Nach der „Königlichen Jagd“ gab´s auch in der Wiederholungsvorstellung zahlreiche Buhs – nach den ägyptischen Tänzerinnen (die natürlich keine ägyptischen Tänzerinnen waren) dafür einhelligen Beifall.

Der Gesamteindruck: durchwachsen! Über Mr. Howell weiß auch die Presseabteilung der Bayerischen Staatsoper nicht viel mehr zu sagen, als dass er eine Schauspielerausbildung an der Londoner School of Contemporary Dance absolviert hat, dann Leiter einer Gruppe Dance Collective war (und wohl noch ist), und dass er bei verschiedenen Opernproduktionen in London, Cardiff, an der New Yorker Met, der Mailänder Scala und so weiter mitgearbeitet hat. Er ist wohl so ein Crossover-Mann, wie die englischen Regisseure sie lieben, die an der Münchner Oper arbeiten (Händel, Tippett usw.). An originellen Ideen mangelt es ihm jedenfalls nicht.

Im ersten Akt, der bekanntlich in Troja spielt, gibt es folkloristisch inspirierte griechische Tänze und die ein bisschen nach Tai-Chi aussehenden Männerkämpfe. Dazu ein hochexpressives Solo der trauernden Andromache im besten Wigman-Stil (Mirjam Baßler). Kurios dann die Arbeitertänze in Karthago – wie von Maos Kampftruppen, alle im goldgelben Mao-Einheitslook. Größter Block ist das ganz auf Gesang verzichtende Eröffnungsbild des vierten Aktes, die Pantomime der „Königlichen Jagd“. Das ist eine rein erotische Jagd, in einem blumig-geil gestylten Dekor, Tableaux vivants von lauter New-Age-Models, sowohl weiblichen wie männlichen, die in anzüglichen Attitüden posieren, mit ein paar antiken Reminiszenzen à la Raub der Sabinerinnen. Sehr schick und wunderschön kitschig – sexy sowieso. Wie aus einem der glamourösen High-Life-Magazine.

Richtig tänzerisch wird´s dann im zweiten Bild des vierten Aktes – von Ägyptern, wie gesagt, nicht die Spur, das sind eher lauter Volleyball-Champions, Girls und Boys, die ihre Freestyle-Kabbeleien am Strande betreiben, hübsch anzusehen, ausgesprochen anmacherisch – sie könnten wohl alle Verkäuferinnen und Verkäufer bei Moshammer auf der Maximilianstraße sein (oder bei Gucci, oder Armani, oder Hermès...). Das ist durchaus locker choreografiert, mit vielen sportiven Elementen – wie für eine Beachwear-Modenschau – nicht ohne Pfiff. Ein Ballett, wie es sich David Hockney für eine seiner Partys am Swimmingpool in LA bestellen könnte. Da kann weder Berlin noch Düsseldorf oder Hamburg mithalten!

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