Ein Blick zurück I.

Zum zehnten Todestag von Kurt Peters

oe
Stuttgart, 02/02/2006

Zweier Männer ist zu gedenken, deren Todestag sich in diesem Februar zum zehnten Male jährt, Kurt Peters‘ und Nicholas Beriozoffs – zweier Männer, wie sie unterschiedlicher nicht hätten sein können – jeder ein Individualist, der ohne Nachfolger geblieben ist (was uns heute, im Abstand eines Dezenniums, bewusster ist als in unseren damaligen Nachrufen).

Kurt Peters starb am 2. Februar 1996 in Köln, wenige Monate nach seinem 80. Geburtstag. Der Traueranzeige ist ein Ausspruch des Kirchenvaters Augustinus vorangestellt: „O Mensch, lerne tanzen, sonst wissen die Engel im Himmel mit dir nichts anzufangen.“ Als ihm 1984 der Deutsche Tanzpreis verliehen wurde, galt die Auszeichnung der „Anerkennung seiner Verdienste um den Tanz in Deutschland, den er als Pädagoge, Kritiker, Publizist und Verleger maßgeblich bereichert und beeinflusst hat.“ Vergessen ist dabei sein vielleicht nachwirkendstes Verdienst: dass er nämlich, ein gebürtiger Hamburger, nach dem Krieg in der Hansestadt sein privates Tanzarchiv gegründet hat, mit dem er dann 1966 nach Köln übergesiedelt ist, wo es heute den Grundstock des Deutschen Tanzarchivs bildet.

Ausgebildet als Tänzer bei Mariska Rudolph und Alexandra Fedorowna-Fokine, engagiert in Saarbrücken und Hamburg, wurde seine Karriere durch den Frondienst seiner langen Jahre als Soldat in der Wehrmacht unterbrochen. Ich lernte ihn in den frühen fünfziger Jahren kennen, war von Berlin aus häufiger Übernachtungsgast in seiner Wohnung am Hamburger Dammtor und wurde so zum ersten ständigen Korrespondenten seiner von 1953 an erscheinenden Zeitschrift „Das Tanzarchiv“. Sie wurde dann zum Hauptbetätigungsfeld meiner tanzjournalistischen Lehrjahre – wie auch für viele andere Kollegen, wenn ich an Hartmut Regitz, Helmut Günther, Gerhard Brunner, Heinz-Ludwig Schneiders, Jens Wendland, Helmut Scheier und solche Fotografen wie Wolfgang Strunz, Gert Weigelt und Dietmar Dünhöft denke. Wobei ich noch heute die totale Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt, auch kontroversen Polemiken bewundere, die für Peters eine Selbstverständlichkeit waren.

In einer der ersten Nummern schrieb ich eine meiner an Bösartigkeit nie übertroffenen Kritiken über das Berliner Gastspiel des Königlich Schwedischen Balletts mit Birgit Cullbergs „Fräulein Julie“. Zwanzig Jahre später wurden Cullberg und ich zu engsten Vertrauten, als wir 1973 im Moskauer Vorzimmer der damaligen sowjetischen Kultusministerin Furzewa uns verabredeten, dass wir, wenn einer von uns beiden nicht von der Audienz bei der gefürchteten Dame zurückkäme – weil wir nämlich den „Fall Panow“ zur Sprache bringen wollten (der in seiner Leningrader Wohnung seit seinem Ausreisegesuch nach Israel unter Hausarrest stand), sofort die zuständige Botschaft unterrichten wollten.

Einen „Berufungsrichter der Tanzkritik“ habe ich ihn einmal genannt, der sich mit besonderer Sympathie der vor sich hin schweigenden Tanzprovinz annahm, dem Lüneburg und Flensburg ebenso wichtig waren wie Neumeier in Hamburg oder das Stuttgarter Ballettwunder. Seine besondere Vorliebe galt dem deutschen Volkstanz – was ganz und gar inopportun war in jenen Jahren der galoppierenden Ballettomanie. Als dessen unermüdlicher Vorkämpfer ist er regelmäßig zu den Volkstanzfesten nach Rudolstadt gefahren, hat er für ihn in aller Welt geworben und auf diese Weise freundschaftliche Bande auch durch den Eisernen Vorhang geknüpft, als das politisch keineswegs als korrekt galt. Das nächste Memorial wird dann am 18. Februar des zehnten Todestages von Beriozoff gedenken.

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