Lucy Bennetts Stopgap Dance Company mit „Artificial Things“

Lucy Bennetts Stopgap Dance Company mit „Artificial Things“

Ein choreografisches Kaleidoskop

Lucy Bennetts Stopgap Dance Company mit „Artificial Things“ beim Grenzgänger-Festival in München

Auf Rädern, biegsamen Beinen und rollenden Rücken - den Bewegungsfindungen sind keine Grenzen gesetzt.

München, 20/10/2015

Spielen und Tanzen sind unsere Ur-Instinkte. Das Recht, sie auszuleben, muss auch ein Mensch mit Behinderung haben. Wie das zu verwirklichen ist – entgegen dem immer noch gesellschaftlichen Tabu –, erlebt man in München bei der bereits siebten Ausgabe des „inklusiven“ Grenzgänger-Festivals. Das Leitungs-Duo Anette Spola und Lorenz Seib, hauptberuflich die Chefs des hiesigen TamS, haben heimische, Schweizer und, soeben im i-camp gesehen, sogar eine englische Gruppe eingeladen.

Lucy Bennetts Stopgap Dance Company schafft es, die „gap“ (Lücke, Kluft) mit ihrem choreografischen Kaleidoskop einfach wegzutanzen: Ein nicht behindertes Paar findet sich zu Hebungs-dichten Pas de deux zusammen, streunt solo aus, vereint sich mit einem präzis-präsenten Downsyndrom-Tänzer zum fließenden Kontakt-Impro-Trio, dann auch mit einer Rollstuhl-Ballerina. Sichtbar demokratisch geben sich die vier Tanz-Akteure gegenseitig gestische Vorgaben. Und das kreiselt dann harmonisch zwischen Schieben und Ziehen gemeinsam durch den Raum: auf Rädern, biegsamen Beinen und rollenden Rücken. Oder mutiert, mit aufgesetzten Mickymaus-Ohren und Harlekin-Halskrause, zu einer zirzensischen Akrobatentruppe.

Hier dürfen auch mal nur die Arme den Tanz erproben oder Spielleidenschaft die expressionistisch wilde Attitüde eines Fascho-Diktators. Lucy Bennett lässt unverblümt auch ganz harte Bilder zu. Stopgap-Gast David Toole, ein langjährig erfahrener beinloser Performer, befreit sich rebellisch aus seiner Panoptikums-Glasvitrine, um sich auf starken behänden Armen zu dem Quartett zu gesellen, im Kreiselschwung oder in federleichtem Purzelbaum über die Kollegen hinweg. Am Ende zieht er sich nur die Jacke des schon zu Beginn als „Sitz-Deko“ drapierten Herrenanzuges an. Was für eine lakonische Selbstbehauptung. Die brüllende Lautverstärkung der Musik tut dem Abend leider gehörig Abbruch. Oder war's eine Veranstaltung mit und für Schwerhörige?

bis 23.10. noch insgesamt vier Produktionen (im TamS und in der Kammer 3)

www.grenzgaenger-theater.de

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