Der Kulturverein FeinSinn mit „[A]ura“ im KosmosTheater Wien

Der Kulturverein FeinSinn mit „[A]ura“ im KosmosTheater Wien

Zeit-Geist

Der Kulturverein „FeinSinn“ mit einer Performance-Galerie im Kosmos Theater Wien

Parallel laufende Aktionspunkte greifen die Materialfülle auf. Aus der einen Ecke ertönt Musik, aus der anderen eine computerverzerrte Stimme. Auf den Projektionsflächen blinkt der digital veränderte Körper der Tänzerin.

Wien, 14/02/2014

Ein Theremin wird gespielt, ohne dass der Musiker es berührt. Die Hände formen die Luft rund um den dünnen Metallstab. Der Körper greift ein in das elektromagnetische Feld des Instruments. Surren und Pfeifen durchzieht den Raum. Ohne Hokuspokus lässt sich das also erklären. Bei der Aura gestaltet sich das schon schwieriger – noch dazu, wenn man sich von Walter Benjamins Aura-Begriff bis zu den Auraforschern des 19. Jahrhunderts zurückhangelt. Auch da sind Körper oder wahlweise Objekte von Feldern umgeben. Bläulich schimmernd verlockten sie zu allerlei Theorien.

Diese und noch vieles mehr bildet das Gerüst der Performance-Galerie, in der sich Tanz, Musik und medienkünstlerische Versuche zu einer interaktiven Performance vereinen. „ura“ heißt das neue Projekt des Kulturvereins „FeinSinn“, der 2003 von der Tänzerin und Choreografin Elke Pichler und dem Violinisten Alexander Nantschev gegründet wurde, und will unsere digitale Welt untersuchen.

Interaktiv, da das Publikum im Vorfeld auf einer Webseite in die Choreografie eingreifen konnte und während der Aufführung nun Teil davon wird. Laserschranken und Bodenmarkierungen ordnen die Bewegungen des Publikums, das zwar als anonyme Masse agiert, dennoch aber einer Vielzahl verlorener Individuen gleicht. Ein Szenario wie das des World Wide Web, inklusive Kategorisierungen und Unsicherheiten, schafft das Künstlerduo in der dunklen Halle des Kosmos Theater.

Parallel laufende Aktionspunkte greifen die Materialfülle auf. Aus der einen Ecke ertönt Musik, aus der anderen eine computerverzerrte Stimme. Auf den Projektionsflächen blinken historische Fotografien, Textfragmente und der digital veränderte Körper der Tänzerin. Die technische Reproduzierbarkeit des Kunstwerks – dies als nochmaliger Verweis auf die Aura – macht auch keinen Halt vor dem Tanz. Denn selbst das so flüchtige Phänomen Bewegung wird von der Kamera eingefangen, festgehalten und gedoppelt. Ob „FeinSinn“ mehr Grusel- oder eher Spaßkabinett der digitalen Welt zeigen, lässt sich nicht so recht entscheiden.

Was im spannungsgeladenen Dämmer beginnt, endet in einer choreografischen Endlosschleife. Man mag dem Körper nicht mehr so recht folgen, der in der Open-Source-Choreografie steckenzubleiben droht. Beliebig und belanglos wie auch die Netzwelt haben da die User einen Informations-Overload kreiert. Die Performance verliert sich in der Masse des Materials: Aura und Internet, Weltraum und Kunstwerk, Okkultismus und Posthumanismus. Was bleibt, ist das ironische Augenzwinkern und die Auflösung des Kunstwerks in einer performativen Handlung nach dem Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Und das ist wohl mit einem interessanten Ansatz auf Höhe seiner Zeit.
 

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