“The Last Feminist” von Myassa Kraitt 

Wenig Tanz? Leider.

Ein Kommentar zur Auswahl der Choreografic Platform Austria 2025

Wie kann ein heutiges Verständnis von Tanz aussehen? Die Kurator*innen der CPA waren hier offenbar großzügig.

Salzburg, 07/12/2025

Von Magdalena Bawart, Sara Garlich und Miriam Stuefer

 

Wenn man bei der diesjährigen Choreographic Platform Austria war, muss man sich die Frage stellen, was unter dem Begriff Choreografie eigentlich gemeint ist. 20 Stunden Tanz und Performance wurden versprochen, wovon aber nur eine Stunde Tanz – zumindest so wie wir Tanz verstehen – zu sehen war. Die restlichen Stunden wurden mit Lecture Performances, Pitching Sessions und Performances mit Anklängen aus dem Bereich zeitgenössischer Zirkus, Kabarett und musikalischer Aufführung aufgefüllt, die nur selten einen expliziten, tänzerischen Bezug aufwiesen. 

Zudem waren auch die Soli in ihrer repetitiven Natur und experimentellen Art mehr Performance als Tanz. Die CPA wurde im Veranstaltungsprogramm der SZENE Salzburg unter der Kategorie „Tanz“ eingeordnet. Zudem steht auf der CPA-Homepage, dass die Plattform „starke Impulse für Tanz und Performance setzt“ und „dem vielfältigen choreographischen Schaffen in Österreich ein wichtiges Forum“ geben wolle. Damit erfüllt das dargebotene Programm aber nicht unsere Erwartungen. Leider.

Durch die starke Performance-Lastigkeit kam bei uns die Frage auf, inwiefern die Diversität des zeitgenössischen Tanzes seinen Platz bei der CPA bekommen hat. Nach welchen Kriterien wurden die elf Produktionen ausgewählt? Waren es neben der Tourfähigkeit auch Bekanntheitsgrad und Verkaufbarkeit der Künstler*innen? Was wollten die eingeladenen internationalen Producer*innen und Kurator*innen zu sehen bekommen? Unklar.

Unerfüllte Erwartungen

Angefangen bei Doris Uhlich. Sie ist die Einzige, die zum zweiten Mal zur CPA eingeladen wurde und die Einzige, die ihr Stück „melancholic ground“ nicht in Präsenz zeigen konnte, aufgrund besonderer Bedarfe ihrer mixed-abled-Kompanie in Bezug auf Wetterbedingungen und finanzielle Mittel für Proben. Es handelt sich um eine inklusive Performance, die stattdessen mit Videomaterial und Interviewfragen präsentiert wurde. Außerdem bekam Uhlich als einzige Künstlerin die Möglichkeit, zusätzlich ihre aktuelle Performance „Come Back Again“ vorzustellen. Dies wurde erst kurzfristig vorher bekannt gegeben. So entstanden die Erwartungen, dass „melancholic ground“ den Großteil ihrer Präsentationszeit ausmachen würde. Jedoch wurden drei Viertel von „Come Back Again“ gezeigt. Dadurch nahm die Werbung für ihre aktuelle Produktion genauso viel Zeit in Anspruch wie das Vorstellen und Zeigen des 12-minütigen Videos und das Interview des eigentlich ausgewählten Stückes. So wurde die inklusive Aussage, auf die der Fokus hätte liegen sollen, von einer Aufführung – ihrem Duo mit der ehemaligen Wiener Primaballerina Susanne Kirnbauer – überschattet. Fragwürdig.

Kommen wir zurück zur angekündigten Vielfalt und zur Repräsentation der Tanzszene Österreichs. Laut des Open Calls war „das gesamte Spektrum von zeitgenössischem Tanz und Performance (ohne Sprech- und Musiktheater)“ erwünscht. Allerdings wurden Tanzstile wie z.B. Hip-Hop, andere Street- und Club-Styles, und Contemporary Dance nicht im Hauptprogramm gezeigt. Uns fehlten auch Elemente wie Partnering, Floorwork und Improvisation in den Choreografien. Gab es einfach keine Bewerbungen, oder fehlt es immer noch an Sichtbarkeit – etwa von afrodiasporischen Tanzstilen – oder herrscht nach wie vor eine gewisse Ignoranz gegenüber virtuoseren Tanzformen in der freien Szene? Schwierig.

Dass der Open Call so breit angelegt war, hätte doch eigentlich viele Möglichkeiten eröffnet. War es also notwendig, zwei Lecture Performances zu zeigen, die sich als Reenactment mit historischen Positionen von Choreografinnen auseinandersetzten? Hier zu nennen wären die Performances von Claire Lefèvre, die sich mit der modernen Tanzikone Loïe Fuller beschäftigte, und Michikatzu Matsume und Martine Pisani, die das Tanzschaffen in Marseille und Paris der 80er und 90er Jahre mitprägte. 

Mehr Konzert als Choreografie

War es notwendig, zwei Stücke aufzuführen, die sich mit den Ballets Russes beschäftigten? Sasha Portyannikova, mit Gedanken zu ihrer eigenen „forced emigration“ aus Russland aufgrund des Krieges in der Ukraine und Nijinskys Ballett „Petrushka“ sowie Ulduz Ahmadzadeh/Atash, mit ihren offensichtlichen Referenzen an Strawinskys „Frühlingsopfer” im Kontext iranischer Ritualpraktiken. Und war es notwendig, zwei Performances, die mehr einem Konzert als einer Choreografie glichen, auf die große Bühne zu bringen? 

Die Wiener Rapperin und Regisseurin Myassa Kraitt zeigte mit ihrem aktivistischen „The Last Feminist“ ein Stück, das ausschließlich aus Text und Gesang bestand, inklusive einer akademisch anmutenden Powerpoint-Präsentation mit historischen Zitaten und eines – auch unisono ausgeführten Bewegungssequenzen ausführenden – Chors. Und auch Matteo Haitzmanns Performance wurde stark getragen von Live-Musik am Schlagzeug und Klangexperimenten. Hätte vielleicht etwas Anderes, Tänzerisches, mehr zur Vielfältigkeit beigetragen? Möglicherweise.

Apropos Open Call: Scheinbar wurde der Begriff Choreografie für die CPA nachträglich neu definiert. Stücke, die den Fokus auf Livemusik, Theatermittel und abstrahierte Bewegungen im repetitiven Muster oder in Slow Motion legen, erhalten hier eine größere Plattform. Dadurch treten mehr „movement-based“ choreografische Arbeiten in den Hintergrund. 

Die Auswahl hat bei uns dazu beigetragen, dass die veröffentlichten Informationen – die CPA als eine Plattform für den österreichischen Tanz zu besuchen – nicht zu unseren Vorstellungen, wie wir Tanz begreifen, entsprach. Denn Tanz ist für uns eine sinnliche Kunstform, die Bewegungen erforscht wie auch mit Freude und Lust demonstriert und die vielfältigen kulturellen Spielarten von Tanz in all seiner Vielfalt aufgreift. Die sich für uns durch die CPA eröffneten Dimensionen auf Tanz machen es kaum möglich die Frage zu beantworten, wie Choreografie verstanden werden kann, und welche (Tanz-)Performances am CPA einen Platz verdient hätten. Schade.

 

Dieser Text entstand im Rahmen einer Kooperation von tanznetz mit Studierenden der Paris Lodron Universität in Salzburg unter der Leitung von Dr. Miriam Althammer und der Choreographic Platform Austria.

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