„Wir spielen rings um den Abgrund“

Magisches Zirkus-Tanz-Theater: „Hans was Heiri“ der Gruppe Zimmermann & de Perrot

Zürich, 23/08/2012

Es raubt einem den Atem, man staunt und lacht. Die kleine üppige Methinee Wongtrakoon, einst ein Zirkuskind, hüpft auch als Erwachsene wie ein Gummiball herum und verkriecht sich immer wieder in einer Box von geschätzten 70x70x60 cm. Die grosse schlanke Mélissa Von Vépy, wie ein Model gewachsen und gekleidet, mischt die Szene zwar in High Heels auf, schlägt aber spielend die Brücke nach hinten und rennt dergestalt wie ein Käfer herum. Traumtänzer, Clowns, Artisten, Verblüffungskünstler sind auch die vier Männer Tarek Halaby, Dimitri Jourde, Gaël Santisteva und Martin Zimmermann, der im neuen Stück „Hans was Heiri“ zudem für Konzept, Regie, Bühnenbild und Choreografie zeichnet.

Zunächst liegen Holzrahmen, Balken, Bretter kunterbunt auf der Bühne herum. Und schwupps steht da ein quadratisches Haus mit vier gleichen Zimmern. Mit Tisch und Stühlen, Türen und Wandschmuck. Doch dieses Haus ist nicht so stabil, wie es auf den ersten Blick aussieht. Sondern dreht sich wie eine Windmühle, linksherum, rechtsherum. Das Mobiliar purzelt durcheinander; die Menschen ringen um ihr Gleichgewicht, wenn sie sich zuvor nicht so einrichten konnten, dass sie samt Pult an der Decke haften bleiben. Nur die Haare fallen dann, der Schwerkraft folgend, senkrecht vom Kopf nach unten.

Eine halsbrecherische Angelegenheit. Wenn das Timing danebengeht, drohen Sturz und Chaos. „Wir spielen rings um den Abgrund“, schreiben die beiden Chefs der Schweizer Gruppe, Martin Zimmermann und Dimitri de Perrot - letzterer zuständig für die Komposition und in „Hans was Heiri“ live auf der Bühne scratchend. Weitere Statements: „Wir verbiegen gern und drehen alles um.“ „Wir riskieren und scheitern“. „Wir sind extrem fleissig und sehr genau.“ Und: „Wir lachen uns kaputt und meinen es todernst.“ Das alles glaubt man ihnen aufs Wort. Zimmermann kann in seiner Choreografie vermutlich auf die Disziplin, sicher aber auf die Kreativität seiner Crew zählen. Jeder und jede der Mitwirkenden erscheint als eigenwilliges, ausgeprägtes Individuum – und verkörpert damit eigentlich das Gegenteil von „Hans was Heiri“, was im Schweizerdeutschen so viel bedeutet wie: Alles Tun kommt aufs Gleiche heraus, es gibt keine Unterschiede.

So international die Company auftritt: Ihre Stücke tragen oft schweizerdeutsche Titel (Zimmermann stammt aus Winterthur, de Perrot aus Neuenburg). „Gopf“ -verkürzt für den Fluch Gottfriedstutz - hiess die erste Produktion 1999, wo als Dritter im Bund der Schweizer Béjart-Tänzer Gregor Metzger mitwirkte. Es folgten „Hoi“, „Gaff Aff“ oder „Öpen öpis“. Gemeinsam ist diesen Stücken die atemlose Präzision, ihre absurde Vespieltheit, ihre Magie.

Zurzeit treten Zimmermann & de Perrot eine gute Woche lang am Zürcher Theaterspektakel auf (bis 28. August). Der Zulauf ist gross, der Applaus heftig. Dann reisen sie mit „Hans was Heiri“ mehr als ein Jahr lang durch Spanien, Frankreich und bis nach New York. Die Theater reißen sich um sie. In Deutschland allerdings tritt das Ensemble mit diesem Stück nur am Düsseldorf Festival auf (18. bis 21. September). Mehrfach gebucht wurde dafür die ältere Produktion „Chouf Ouchouf“ mit Akrobaten aus Tanger.
 

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