Groß Denken

Zwei Produktionen bei „Think Big!” für junges Publikum in München

Sowohl in Münchner Theatern als auch in Schulen zeigt das Festival “Think Big!” internationale Tanzproduktionen mit dem Ziel junge Menschen für den zeitgenössischen Tanz zu begeistern und das tun sie mit Erfolg.

München, 08/07/2022

Auch dieses Jahr bringt „Think Big!” - Internationales Tanz-, Musiktheater- und Performance-Festival für junges Publikum in München wieder Tanzstücke direkt in die Schulen. „Matta Matta 2.0“, eine Performance der niederländischen Tanzkompanie „The100Hands” über Sicherheit und Risiko, ist nun in einer längeren Version und in neuer Besetzung, bereits zum zweiten Mal bei „Think Big” zu Gast. Ein Glück für die Kinder der zweiten Jahrgangsstufe der Grundschule am Hedernfeld, die sich um punkt neun Uhr mucksmäuschenstill vor der Turnhalle versammeln und gespannt darauf warten, was gleich passiert.

Ein klassischer abgedunkelter Theaterraum erwartet die Schüler*innen nicht, denn das speziell für Turnhallen entwickelte, interaktive und stark physische Stück „Matta Matta 2.0” verwendet Materialien, die die Kinder bereits aus dem Kontext Sportunterricht kennen und fügt sich nahtlos in die bekannte Schulkulisse ein.

Große Weichbodenmatten, sowie gezackte blaue Schaumstoffmatten, die sich zu beliebig großen Teppichböden oder hochkanten Aufstellern ineinander puzzeln lassen, werden zum raffinierten Bühnenbild des einstündigen Tanzstückes und verwandeln sich zu Sitzflächen, Arenen, Mauern, Labyrinthen, Tunneln, Türmen und geometrischen Formen, zu denen viele verschiedene Assoziationen möglich sind. Manchmal bilden sie einen Schutzraum, ein anderes Mal versperren sie die Sicht und schaffen spannungsgeladene Situationen, die für die einen Kinder etwas bedrohlich wirken, bei anderen die kindliche Neugier wecken.

Die Choreografie von Jasper Džuki Jelen und Mojra Vogelnik, ist lebendig, wild, spielerisch und kompetitiv. Immer wieder entwickeln die Perfomer*innen dabei tänzerische Dialoge und Duelle und beeindrucken das begeisterte Kinderpublikum mit waghalsigen Tanzmoves. Durchweg mit einem Necken im Gesicht, aber trotzdem stetig die anderen im Blick behaltend und miteinander verbunden, rollen, rutschen, hüpfen und fliegen sie über die Matten, ziehen sich gegenseitig den Boden unter den Füßen weg, werfen sich übermütig auf- und übereinander. Mal rettet die Matte die Tänzer*innen und fängt sie auf, ein anderes Mal wird sie zum Hindernis, zur Hürde, zur Stolpergefahr.

Je akrobatischer und risikoreicher dabei die Bewegungen der Tänzer*innen werden (und das tun sie in höchstem Maße) und je kreativer und spektakulärer der Einsatz von Matten demonstriert wird, desto stiller wird es plötzlich. Die Kinderaugen werden größer, die Gesichter der Schullehrer*innen erschrockener. Wer als nächstes Sportunterricht gibt, bekommt hier definitiv ein Problem!

Nach viel Action und Drunter und Drüber, wird der Tanz zum Schluss verletzlicher und die Tänzer*innen Bryan Atmopawiro, Alkis Barbas und Jade van den Hout verschmelzen ineinander - hier zeigt sich eindrücklich, dass viel Waghalsiges nur gemeinsam, sich gegenseitig stützend, tragend, festhaltend funktionieren kann.

„Matta Matta 2.0“ ist ein Tanzstück für junges Publikum, das die Aufmerksamkeit der Kinder von Anfang bis Ende hält, mit starker Physis überzeugt und durch vermeintlich einfache Tricks immer wieder für neue choreografische Überraschungsmomente sorgt - Großartig!

Genauso zieht das Stück „The Happy Few“ der belgischen Tanzkompanie BRONKS/ Randi de Vlieghe das Publikum mit überbordender Spielfreude, ständigen Rollen- und Kostümwechseln und wechselndem Tanz, Theater und Gesang in den Bann.

Fünf Performer*innen verwandeln sich immer wieder aufs Neue und erfinden neue Identitäten, um das ultimativ optimale Persönlichkeitsangebot zu entwickeln. Genauso vielfältig wie die Darsteller*innen Menschenporträts und sexuelle Identitäten verkörpern, bedienen sie sich auch an den unterschiedlichsten Tanz- und Musikstilen, die sie humorvoll und originell vertanzen. Dabei ersparen sie sich nichts. Keine Peinlichkeiten, keine Provokationen, keine Schockmomente. Das macht Spaß beim Zuschauen, lässt aber die Frage offen ob und inwiefern das junge Publikum ab 12 Jahren die Reflexionsebene und das Abstraktionsniveau mitbringt, um die Ironie und den Subtext einiger Szenen von emotionaler und körperlicher Gewalt erfassen zu können. In jedem Fall ein Stück, das es auf der Bühne richtig krachen lässt und zur Diskussion anregt!

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