Das Cloud Gate Dance Theatre mit „Moon Waters“

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Ludwigsburg, 14/05/2002

Die verdienstvolle Ludwigsburger Reihe des Tanzforums am Schlosspark beschloss am Ende der Saison 2001/02 das Cloud Gate Dance Theatre of Taiwan mit Li Hwai-mins „Moon Water“ aus dem Jahr 1998 (mit dem die Kompanie schon im Sommer 1999 bei „Tanz im August“ in Berlin zu Gast war). Sie sind ja alte Bekannte in Ludwigsburg, und so wusste das Publikum, was da auf es zukam und bestaunte mucksmäuschenstill siebzig pausenlose Minuten lang die nahtlose Folge dieser Tänze zu den Sechs Suiten für Violoncello Solo von Johann Sebastian Bach, gespielt von Mischa Maisky (und, wie üblich, überlaut in den Saal gedröhnt).

Ost und West sind in diesen choreografischen Kalligrafien eine wundersame Synthese eingegangen: Bach meets Buddha sozusagen. Und tatsächlich kommt auf diese Weise eine Metamorphose zustande, von der beide profitieren, die Musik und der Tanz. Auf einem alten buddhistischen Sprichwort beruhend, das besagt: Mond im Wasser und Blüten im Spiegel sind beides Täuschung. Die schwarze Bühne mit dem Spiegelplafond und später dann mit der über die ganze Breite gezogenen Spiegelwand suspendiert jegliches reale Raum- und Zeitgefühl, und es entsteht etwas Neues – ein Nirwana der puren Schönheit ohne jeglichen Erdenrest, materialisiert in Motionsmeditationen, umspielt vom plätschernden Wasser auf dem Bühnenboden, in das sich die weiß gekleideten sieben plus sieben Tänzerinnen und Tänzer gleiten lassen, um sich genässt wieder daraus zu erheben.

Alles ist so in ständigem Fließen begriffen: die Bewegung, der Klang, der Raum. Am Anfang und Schluss stehen Soli, dazwischen Duos und kleinere Formationen, ganz selten mal die kompakte Kompanie, wobei die Tänzer kaum einander berühren, wie florale, ornamentale, lianenhafte, sich ständig verändernde Muster bewegen, im Hauch einer sanften Brise driften. So entsteht ein eigentümlicher Schwebezustand – Rituale und Exerzitien der Langsamkeit.

Das Grundvokabular liefert ein von Hwai-min entwickeltes T‘ai-Chi, das diverse fernöstliche Bewegungsstile sich anverwandelt hat, auch eine extrem verlangsamte Variante der Martial Arts – man meint auch Elemente des Modern Dance zu entdecken. Alles wirkt zelebriert und ge-, wenn nicht verkünstelt. Das hat seinen eigenen Reiz – und das leise vor sich hin rieselnde Wasser trägt zur Suggestion eines Reinwaschungsrituals bei. Suspendiert scheint auch alles Verstandesmäßige. Als Betrachter lässt man sich willenlos einfangen, lässt sich fallen in dieses Vertigobewusstsein (ein bisschen wie bei Hitchcock). Eine eigenartige Erfahrung, hart an der Grenze zum Kitsch. Und so sieht man diesen Taiwanesen, die sich da in unendlichen Zeitlupenmotionen ergehen, wie Kreaturen aus einer anderen Welt zu.

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