„Body Change Future“-Festival im Leipziger Lofft

„Body Change Future“-Festival im Leipziger Lofft

Außergewöhnlich stark

„Body Change Future“-Festival im Leipziger Lofft

Der Kult um den Körper: Das Festival im Lofft mit Stücken von Rose Beermann und Melanie Lane bot Zirkeltraining, Bodybuilding, Tanz, neue Publikumsallianzen und dazu Proteindrink-Ausschank im Foyer.

Leipzig, 29/11/2016

Der Körper als Fetisch, Trutzburg, Panzer, Symbol der Selbstoptimierung. „Body Change Future“ hieß das Festival, mit dem sich das Lofft von Donnerstag bis Sonntag diesem Themenfeld widmete. Mit zwei Inszenierungen auf der Bühne- und begleitendem Zirkeltraining durch einschlägiges Fachpersonal wie auch Proteindrink-Ausschank im Foyer davor.

Weshalb allein hier schon die Publikumsstruktur erfrischend anders als gewohnt ist. Mischen sich doch in die übliche und gemeinhin ja eher akademisch schmalbrüstige Theaterklientel, so einige Besucherinnen und Besucher mit recht markant definierten Körperpartien. Was insgesamt ein amüsantes Bild abgibt, inklusive eines gegenseitigen, freundlich skeptischen Musterns. Dass dabei im Theater dann auch mal wieder tatsächlich Welten aufeinandertreffen, ist schon mal ein klarer Pluspunkt dieses Festivals.

Schuften am Erscheinungsbild. Workout als masochistischer Lustgewinn. Der Körper als letztes Refugium dessen, was sich wirklich formen lässt nach dem eigenen Willen. Gestählt für die Stahlgewitter der Zukunft: „My Body Is The Field Of Tomorrow´s Battle“ heißt da recht programmatisch die Inszenierung der Berliner Choreografin Rose Beermann. Vier junge Frauen, die Mantras der Motivationsrotation (Schaff dir den Körper, den du willst!), Kreistraining als Leerlauf der Selbstsuche- und als absurdes Fitnesstheater. Letzteres ist „My Body...“ immer wieder mal. An den Einzelstationen der Inszenierung, wenn sich die Performerinnen in Gruppenübungen grotesk verrenken, oder Szenerien bauen, die wie aus jenen Zeiten aufscheinen, als „Workout“ noch unter „gymnastische Turnübung“ firmierte. Nur bleibt derlei Reiz leider begrenzt auf eben wenige Einzelübungen; ist die Inszenierung insgesamt eine, die selbst im Kreis, das heißt auf der Stelle tritt. Die inhaltlich stagniert - und das mitunter auch mal im Plakativen. Und die sich formal endgültig auspowert in einem finalen Sandsackschleppen und –werfen, dessen Dynamik selbst irgendwann schlicht versandet.

Ganz anders wirkt da Melanie Lanes „Wonderwomen“. Eine Choreografie, die die weiblichen Bodybuilder Rosie Harte und Nathalie Schmidt auf die Bühne bringt. Und das (und die Gefahr bestand ja durchaus) ohne ins Spekulative zu kippen, ohne diese Frauen vorzuführen und ohne sich ästhetisch auszuruhen, am fraglos faszinierenden (auch ambivalent faszinierenden) Körpererscheinungs-Bild der Bodybuilder-Performerinnen. Tatsächlich nämlich schafft „Wonderwomen“ etwas recht Außergewöhnliches, auch wenn dafür hier jetzt die sehr gewöhnliche Phrase herhalten muss: Der Inszenierung gelingt es Sehgewohnheiten aufzubrechen, Wahrnehmungen zu unterlaufen. Und das nicht nur, weil diese Körper auf ganz andere Art „optimiert“ (und das heißt auch: transformiert, also ästhetisiert) sind, als etwa die von Ballett-Tänzerinnen. Im Kontext einer Choreografie, formuliert sich allein darin schon ein spannender Kontrast. Und eine Setzung sowieso. Wie beschwert und leicht zugleich Harte und Schmidt agieren, ist dabei ähnlich frappierend, wie die eigentümliche Eleganz und Zerbrechlichkeit, die in der komprimierten Kraft ihrer Körper liegt. Die hier in konzentrierter (auch mal provozierender) Langsamkeit und in bestechenden Bildfindungen, eine Darbietung liefern, in der sich die Posen einschlägiger Bodybuilding-Wettkämpfe ebenso organisch einfügen, wie etwa Attribute des traditionellen indischen Tandava-Tanzes. Denn wie sich Hart und Schmidt zur klug reduzierten Licht- und Sounddramaturgie (Licht: Fabian Bleisch, Sound: Clark) immer wieder zum vierarmigen Wesen fügen, mag bis zu den großartig nuancierten Bewegungen der Hände und Finger, nicht ganz von ungefähr an Kali erinnern, die Hindu-Göttin des Todes, der Zerstörung und Widergeburt. Und ja: Möglich ist schon, dass diese Assoziation jetzt zu weit treibt. Treffend ist sie dennoch für diese in mehrfacher Hinsicht selten starke Performance.
 

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