Nichts ist, was es scheint

„Aufräumarbeiten im Wasserfall” von Anna Huber und Yves Netzhammer in den Berliner Uferstudios

Berlin, 21/02/2012

Nichts ist, was es scheint. Der Hubschrauber, der als erster abhebt, verwandelt sich auf einmal in einen Vogel. Die heile Welt, die Yves Netzhammer auf der Rückwand erstehen lässt, erweist sich einmal mehr als ein eingezäuntes Ghetto, aus dem es keinen Ausweg gibt. Alles ist computergeneriert, und doch entwickelt das Bühnentableau, das nicht wenig an ein Bild von Paul Klee erinnert und mehr noch an Skulpturen des Schweizer Bildhauers und Malers Alberto Giacometti, mit der Zeit ein Eigenleben. Anna Huber erhebt sich aus dem Schatten eines Ballons, der zunächst den Raum beherrscht. Und ihr Körperschatten krümmt sich nach allen Regeln der Kunst, als wollte er dem projizierten Puppenbild Konkurrenz machen, biegt entweder seine Fußzehen nach oben, als gehörten sie einem Kind, oder verhakt sich in einem Konzept, dessen Zielsetzung dem Betrachter lange Zeit verborgen bleibt.

Doch Schlemmers Fußnoten zum Thema „Mensch und Kunstfigur” greifen auch hier. Ebenso die Überlegungen, die Heinrich von Kleist in seinem Essay „Über das Marionettentheater” angestellt hat. Aber die „Aufräumarbeiten im Wasserfall”, wie Huber und Netzhammer vor einem Jahr ihr gemeinsame Projekt nennen, kommen zu einem anderen Schluss: Während sich am Ende das flexible Fantasiegebilde in seine Bestandteile aufzulösen scheint, zieht auch Anna Huber insofern am Ende die Konsequenz, als sie den „ganzen Konzeptmüll”, wie es in einer Kritik nicht ohne einen ironischen Unterton geheißen hat, „wie ein getragenes Kleid zur Wäsche” gibt.

Das ist nicht ganz einfach, und dazwischen sieht es manchmal danach aus, als ob die Kunst ihrer Konkretisierung ein Schnippchen schlägt. Doch Anna Huber, zunächst unter der Haube ihres grauen Kapuzenpullis schier verschwindend, reibt sich an den Widerständen, untergräbt das Gitterwerk, mit dem Netzhammer den Boden der Uferhallen-Bühne rastert, und kriecht von einem Assoziations- und Aktionsfeld zum anderen: eine tanzende Choreografin, eine choreografierende Tänzerin, die noch immer neue Bewegungs- und Bildräume erforscht. Selbst dann, wenn sie wie hier zunächst nicht wirklich existieren, sondern nur in einer manchmal etwas aberwitzigen Simulation. Einer 3D-Puppe ist nichts unmöglich. Ganz nach Gusto ihres Gestalters kann sie ihre Glieder verbiegen, verlängern oder zerstückeln, ohne sich zum Gespött zu machen. Doch am Ende der „Aufräumarbeiten” triumphiert der Mensch, der seinen Unzulänglichkeiten trotzt. Allerdings sollte der schon so beweglich sein wie Anna Huber, der „im Wasserfall” wieder ein einzigartiges Kunststück gelingt.

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