„Big Rings“ von Keerati Jinakunwiphat, Tanz: Ensemble

„Big Rings“ von Keerati Jinakunwiphat, Tanz: Ensemble

Vier Kostbarkeiten

A.I.M. by Kyle Abraham gastiert mit „Mixed Repertoire“ in Hamburg

Vier kurze Stücke hatte Kyle Abraham für sein Gastspiel in der Hansestadt zusammengestellt. Der Abend geriet zu einer Sternstunde für den Tanz in der Kampnagelfabrik.

Hamburg, 06/06/2023

Sie sind selten geworden, die besonders herausragenden Tanzaufführungen in der Hamburger Kampnagelfabrik. Am vergangenen Wochenende gab es endlich wieder eine: Kyle Abraham gastierte mit seinem Ensemble in der Hansestadt. Schon 2021 begeisterte er dort im Rahmen des Internationalen Sommerfestivals, als er sein „Requiem: Fire in the Air oft he Earth“ aus der Taufe hob (siehe tanznetz vom 26.8.2021).

Jetzt hatte er ein eigens für diesen Ort kuratiertes Programm im Gepäck, das sich aus vier kurzen Kreationen zusammensetzte, älteren und neueren. Es sind vier Kostbarkeiten, denen diese ganz besondere geschmeidige, feinsinnige Bewegungssprache gemein ist, die den 1977 geborenen Abraham auszeichnet. Das erste Stück stammt allerdings von Keerati Jinakunwiphat, einer Tänzerin, die seit 2016 zum Ensemble gehört: „Big Rings“ hat sie es genannt, zu einer Musik-Collage, die von Rap und HipHop bis zum „Sterbenden Schwan“ aus dem „Karneval der Tiere“ von Camille Saint-Saens reicht. In Trainingsanzügen kommen die sechs Tänzer*innen auf die Bühne und machen sich warm. Aus diesem losen Miteinander entwickelt sich langsam der gemeinsame Tanz – in kleinen und großen Ringen, kleinen und größeren Gruppen. Immer haben die Einzelnen untereinander Kontakt und achten aufeinander. Es ist eine Hymne auf die Gemeinschaft, auf die Gemeinsamkeit, auf den Wert jedes einzelnen und den Respekt voreinander.

Die drei nachfolgenden Stücke stammten dann alle von Kyle Abraham selbst. Zuerst „Show Pony“ aus 2018, ein ungemein kraftvolles und gleichzeitig sensibles Solo zu elektronischer Percussion, das Donovan Reed im silbrigen Ganzkörpertrikot auf die Bühne zauberte. Da ist nur der Mensch, der Tanz und das Licht. Kein Beiwerk lenkt ab, keine Kulisse, keine Farbe. Das verlangt dem Tänzer eine besondere Präsenz ab und die Choreografie eine hohe technische Virtuosität. Beides erfüllt Donovan Reed aufs Allerfeinste.

Nicht minder beeindruckend das erst 2023 kreierte „MotorRover“, ein Pas de Deux ohne Musik, der an diesem Abend von zwei großartigen Frauen getanzt wurde: Tamisha A. Guy und Catherine Kirk. Auch das eine Liebeserklärung an das Miteinander, Umeinander, Füreinander – Kyle Abraham erfindet dafür immer wieder neue Bewegungen, die die ganze Bühne in Anspruch nehmen und beim Zuschauen immer wieder neue Bilder erzeugen. Phänomenal.

Nach einer Pause dann der Abschluss und – man hält eine Steigerung kaum noch für möglich – Höhepunkt des Abends: „If We Were a Love Song“ zu sechs besonders intimen Liedern der Jazz- und Bluessängerin Nina Simone (1933-2003). Es ist, als hätten diese Songs nur darauf gewartet, durch den Tanz noch gesteigert zu werden. Es sind ungemein feine, poetische Vignetten für ein oder zwei Tänzer*innen, mal heiter, mal melancholisch, mal rebellisch, mal ganz in sich gekehrt, bei denen der Tanz durch seine Intimität und Zartheit ebenso das Herz ergreift wie die Musik.

Dieser Abend ist ein einziger, ganz wunderbarer Love Song an den Tanz, das Leben, die Liebe. Das Publikum war zurecht begeistert.

Kommentare

Noch keine Beiträge

Ähnliche Artikel

basierend auf den Schlüsselwörtern