Petticoats und Flügel

Grandioses Birmingham Royal Ballet zu Gast in München

München, 26/04/2012

Es war ein schöner, ein so ganz anderer Ballettwochen-Abend: David Bintleys Birmingham Royal Ballet (BRB), zum ersten Mal zu Gast beim Bayerischen Staatsballett, hat uns Geschichten erzählt, mit seinem Humor erheitert und mit seiner stupenden Technik elektrisiert. Mit diesen drei Stichworten war mit einem Schlage klar, was das diesjährige Spielzeit-Motto „Very British!“ meint. Jubel im Münchner Nationaltheater. Bintley hat das 1995 übernommene BRB (das ehemalige Sadler's Wells Royal Ballet, in dem Bintley auch als Tänzer begann) sichtbar zu einem Vorzeige-Ensemble geschmiedet. Aber schon lange davor hatte er sich als Choreograf profiliert, für das Sadler' Wells, das Londoner Royal Ballet, für Stuttgart („Edward II“, 1995) und für München. Noch in bester Erinnerung sein für die Münchner Ballettwoche 1988 einstudierter Dreiteiler mit „Allegri Diversi“, „Metamorphosis“ und dem hinreißenden „Still Life at the Penguin Café“ (sollte das Staatsballett wieder aufnehmen!).

Bintleys Handschrift in „Penguin Café“ erkannte man jetzt ähnlich wieder in seinem Dave-Brubeck-Stück „Take Five“ von 2007. Auch hier dominiert, reißt uns mit die „swingend“ raumgreifende Bewegung, die heitere Unbeschwertheit, mit der hier Damen auf Spitze und Herren in Turnschuh-Allüre mit den verzwicktesten Schnell-Schritten über die Bühne flitzen. Adrette Petticoat-Kleidchen (fürs Tanzen allerdings nicht ganz so vorteilhaft), Brubecks Jazzkompositionen und locker jazzig schlenkernde Arme – und sofort ist man sympathisch zurückgebeamt in die 50er Jahre.

Altmodisch, aber auf kostbar antike Art, ist Frederick Ashtons „The Dream“ von 1964. Sir Frederick (1904−1988), schon früh von den beiden Gründerinnen des englischen Balletts: Ninette de Valois und Marie Rambert als choreografisches Talent entdeckt und dann maßgebender britischer Tanzschöpfer, erzählt mit einer umwerfend komischen Grazie und in spannungsvoller Kürze Shakespeares' „Sommernachtstraum“-Liebesverwirrungen (zur gleichnamigen Schauspielmusik von Mendelssohn Bartholdy).

Das Stück trippelt geziert biedermeierlich im Elfen-Chorus, schauspielert lustvoll ungeniert in der Verwechslungs-/Verwandlungskomödie, aber springt und dreht in olympiareifem Speed-Tempo und mit Superpräzision. Im Vergleich zu den technisch sehr guten Solisten Nao Sakuma (Titania) und Chi Cao (Oberon) mögen die Royal-Ballet-Principals der Londoner Uraufführung 1964 Antoinette Sibley und Anthony Dowell diesem Ballett noch eine andere künstlerische Dimension hinzugefügt haben. Dennoch war es eine Freude, Ahtons „Dream“ hier zu sehen.

Ninette de Valois' „Checkmate“ von 1937, das zurückversetzt in die Post-Diaghilew-Zeit, ist ein echtes Museums-Juwel, gemeinsam erarbeitet mit dem Komponisten Arthur Bliss (auch Buch) und dem Designer E. McKnight. Es findet hier in sinfonisch brausenden Klängen und in malerischem (Mondrian-)Ambiente ein Kampf zwischen Liebe und Tod als Schachspiel statt. Die beiden Parteien von Bauern, Pferden, Läufern, Türmen, Damen und Königen, jeweils in Schwarz und Rot, gehen gegeneinander an. Aufmärsche, Attacken, Zweikämpfe sind geometrisch ausgefeilt choreografiert. Das Vokabular ist marionettenhaft kantig, was den Tänzern, vor allem in den Sprüngen und Drehungen, eine enorme Spannkraft abfordert. Herausragend Iain Mackay als erstes rotes Pferd. Geschliffen seine „sissonnes“, scherenhaft hochgeschnellte Sprünge, und seine Dreifach-Pirouetten. Alle drei Stücke wurden von der Royal Ballet Sinfonia unter Philip Ellis begleitet, was dem Abend nochmal eine zusätzliche Farbe verlieh.

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