Nichts kann sie halten!

Die Henri Oguike Dance Company aus London zu Gast bei den Internationalen Tanzwochen Neuss

Neuss, 16/02/2009

Jubelnder Applaus für die mitreißenden Tänzer in der Neusser Stadthalle. So startet das Ensemble in sein Jubiläumsjahr. Choreograf Henri Oguike baute es 1999 auf, eher aus Zweifel heraus als mit der Überzeugung, tolles Talent zu haben. Diese suchende Bewegung meint man in seinen dem Modernen Tanz verwandten Choreografien zu spüren, die weder einen bestimmten schicken Stil bedienen noch krampfhaft vermeintliche Originalität beweisen müssen. So wirkten die drei gezeigten Stücke auf erfrischende Weise einfach, ohne plump oder anbiedernd zu sein, jedoch auch stets überraschend. Dem puren Tanz und der Musik so zugetan, dass es eben nicht nur ein Augenschmaus war, sondern die Bewegung beim Schauen in die eigenen Nervenbahnen schwappte.

Die Unruhe wurde dem 37-Jährigen in die Wiege gelegt. Im walisischen Swansea geboren, als Baby in des Vaters Heimat Nigeria mitgenommen; mit zehn Jahren zurück auf Mutters britische Insel. Mit vierzehn probierte er sich ein bisschen im Breakdance aus, musste später von einem Lehrer zum Tanzstudium fast überredet werden, fühlte sich jahrelang sich dennoch nicht als Tänzer, und doch wurde es sein Beruf. Er verlor ihn 1998, als seine Achillessehne riss. Und Oguike, dem das Organisieren immer Spaß gemacht hat, beschloss, es mit Choreografieren zu versuchen.

Statt, wie er es von Studienkollegen kannte, mit verschachtelten Konzepten zu hantieren, fand er Zugang über eine einfache musikbezogene Basis. „Ich entdeckte, dass es Rhythmus nicht nur in der Musik gab, sondern auch in der mal engen, mal weiteren Beziehung der Choreografie zu ihr und in der Skalierung der Choreographie selbst“, formulierte er 2008 in einem Interview. Dieses wellenartige Rein und Raus vermittelt den Eindruck von Freiheit ohne Beliebigkeit in seinen Stücken.

In „Finale“ von 2003 beflügelt René Aubrays pulsierende Musik die sechzehn Füße. Untergehakt als Gruppe, in Paaren oder einzeln machen die Tänzer große Schritte, die stets ein wenig abheben. Sie strömen von überall über die Bühne wie muntere Bäche über Kiesel, kleine Akzente werfen die Köpfe zur Seite, lassen Hände auf Schenkel oder Fußsohlen auf den Boden klatschen. „Green in Blue“ zur Musik einer wegen Wetterchaos reduzierten Jazzcombo ist kontrastreicher: Mal strecken sich die Körper ins Extreme, wie Sterne erst, oder Arme ziehen samt Oberkörper weit aus dem Becken heraus; mal falten sich Tänzer zusammen oder zwirbeln um sich selbst. Halten Posen. Eilen weiter. Solistische Einsätze oder gemeinsame Aktionen wie der Jazz. In „Little Red“ (Rotkäppchen) von 2007 zu zwei Vivaldi-Violinkonzerten schieben sechs Tänzerinnen in Rot mädchenhaft keck Hüften und Pos heraus, toben mit spitzen Ellbogen und gespreizten Fingern auf und ab, oft am Boden. Immer wieder wirft eine von ihnen ein Bein vorn steil nach oben, dann das andere nach hinten, kippelt kurz und fängt sich. Sie schleudern ihre Hände um sich herum und hinter den Kopf. Stützen und schubsen einander, verknoten sich, platzen auf. Eine liebenswerte Mischung aus stark und zart, fröhlich und gefährlich. Nichts kann sie halten.

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