Flugsimulanten

„und übrigens kann ich fliegen“ von Anne Hirth gastierte im FFT in Düsseldorf

Düsseldorf, 16/02/2009

Niemand würde so nebenbei über ein Wunder reden: „Und übrigens kann ich fliegen“ nennt die Berliner Regisseurin Anne Hirth jedoch ihr Bühnenstück, das am 10. Dezember 2008 Premiere im Berliner HAU hatte und nun im Forum Freies Theater in Düsseldorf gastierte.

Um Unerklärliches geht es ihr (der Programmzettel zitiert das Nonsens-Gedicht „Dunkel war’s, der Mond schien helle“); und kindliches Staunen über viele kleine Absurditäten wecken die meist stummen und gekonnt stoisch agierenden sieben Darsteller auch. Silvia Albarellas Bühne wirkt wegen der nach hinten schmal zulaufenden Schwarzweiß-Bodenfliesen schräg. Im Geiste stolpert man schon beim Draufschauen. Die Wände des rätselhaften Gebäudes im hinteren Bühnenteil werden im Verlauf des Abends aufgeklappt wie Türen und verschoben oder fallen kopfüber zu Boden. Spiegel verwirren die Raumoptik. Durch die Fenster krabbeln die Bewohner oder springen. Ein enger Gang lässt sie schlingern wie in einem Boot. Überhaupt taumeln und fallen sie oft, einfach so, oder lehnen, ziehen, springen einander an. Niemand tut sich weh. „Ist halt so“, scheint das Leben zu sagen, und: „Bloß kein Drama!“ Sie legen Postkarten aus einem alten Schubladenschränkchen auf Notenständer. Einer liest Tanzbewegungen von ihnen ab wie Phrasen einer Choreografie mit seitlichem Ausfallschritt und erhobenen Flamencoarmen. Ein anderer setzt das Geschreibsel in Töne um, die er scheinbar den Fliesen mit Paukenschlägeln entlockt: schwarzen und weißen Quadraten. Aus einem Eimer tönt eine Violine, ein Darsteller schleudert den Lautsprecherklang im Kreis. Bis übern Kopf. Er hebt aber nicht ab. Die Aufführung auch nicht. Sie strickt aus den amüsanten bunten Flusen, die an Christoph Marthaler erinnern (weshalb der hübsche a-capella-Gesang am Ende nicht überrascht), keine Fliegerjacke. Wunderlichkeit ist kein Wunder.

Anne Hirth (büro für zeit und raum), Jahrgang 1974, legt nach den Arbeiten „wait here for further instructions“ und „past is in front of ego“, „keine palmen. keine löwen. keine affen“ ein Stück vor, dem zum deftigen Slapstick der Schmackes fehlt; und zur beschaulichen Melancholie des Scheiterns hätte es noch mehr Ruhe gebraucht. Manches sieht arg nach Probeneinfällen aus, deren Witzigkeit nicht mehr zündet. Doch ist hier eine Künstlerin am Werk, die das gute alte Bewegungstheater mit tänzerischen Mitteln, auch der Contact Improvisation, zu verquicken sucht. Oder umgekehrt. Das wird interessant. Ausbildung an der Dimitri-Schule und Regiestudium an der Ernst-Busch-Hochschule sowie Assistenzen bei Sasha Waltz und Luc Dunberry haben da offenbar ihren Input gehabt. Bleibt zu hoffen, dass sie eines Tages ihr wirklich eigenes Ding draus strickt.

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