Zu kulturpolitisch - zu akademisch - zu harmonisch?

Der Tanzkongress - Abschlussveranstaltung und Fazit

Berlin, 25/04/2006

Nach dreieinhalb Kongresstagen mit 1698 Teilnehmern bot die Abschlussveranstaltung in einer Runde aus Beobachtern, Referenten und Teilnehmern eine Möglichkeit, Eindrücke zu schildern, ein persönliches Resümee zu finden und Kritik zu üben. Die Zusammenstellung des Panels, an dem Diskutanten mit ganz verschiedenen Perspektiven teilnahmen, war gelungen. Das von Claudia Henne, Journalistin des Rundfunks Berlin Brandenburg, moderierte Podium bestand aus zwei Mitgliedern der Berliner Kompanie „Two Fish“, Angela Schubot und Martin Clausen, die von den Veranstaltern als Kongressbeobachter eingeladen worden waren, aus Jason Beechey, dem designierten Rektor der Palucca Schule Dresden, Marijke Hoogenboom, Professorin an der Amsterdamer School of the Arts, der Dozentin Heike Roms von der Universität Wales Aberystwyth und Nele Hertling.

Die Choreografin Schubot war versucht, auf ihrer Kongress-Odyssee „das Supergeheimnis rauszufinden“, und äußerte ihr Bedauern darüber, dass Diskussionen, kaum einmal in Gang gekommen, aus Zeitgründen auch schon wieder beendet werden mussten. Als wichtigen Punkt hob sie außerdem hervor, dass der Kongress nicht „von der Szene für die Szene“ gemacht worden sei.

Auch Marijke Hoogenboom äußerte sich kritisch gegenüber einem Kongress, der nicht von einer künstlerischen, sondern einer kulturpolitischen Bewegung getragen werde. Die Forderung nach einer stärkeren Verbindung zwischen Theorie und Praxis, etwa in der Art, wie es in lecture performances oder choreografischen Workshops bereits umgesetzt worden war, wurde immer wieder erhoben.

Heike Roms verlangte generell eine größere Beteiligung der Kunst an der Wissenschaft und berief sich dabei auf angelsächsische Modelle, bei denen ein Doktorgrad beispielsweise durch ein Kunstprojekt erworben werden kann. Die damit implizierte Kritik an einem überwiegend akademischen Blick auf den Tanz, wie sie unter anderem auch Jason Beechey vortrug, ist in der Tat nicht ganz aus der Luft gegriffen, auch wenn die theorie-skeptische Anmerkung von Claudia Henne, die „Tanzwissenschaftler sollten darüber nachdenken, wie sie sich selbst präsentieren“, nur partiell gerechtfertigt scheint.

Dass „die Wissenschaft der Kunst dienen, die Kunst aber im Mittelpunkt bleiben sollte“, hob auch Nele Hertling hervor und konstatierte insgesamt eine zu große Harmonie in den Kongressdebatten und eine mangelnde Bereitschaft, genauer nachzufragen - eine Mahnung, die auch an das Publikum gerichtet war. Ein berechtigter Einwand, an den man zum Beispiel auch die Frage knüpfen könnte, warum über das klassische und neoklassische Ballett als die Tanzform, die ihren Akteuren die meisten Energien und der Gesellschaft die meisten Ressourcen abverlangt, auf dem Tanzkongress nur wenig gesprochen wurde. Ungeachtet dieser Kritikpunkte kann der Kongress insgesamt sowohl von der Themenvielfalt als auch von der organisatorischen Leistung her als gelungen bezeichnet werden.

Kommentare

Noch keine Beiträge

Ähnliche Artikel

basierend auf den Schlüsselwörtern