Hubbard Street Dance Chicago

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Ludwigsburg, 18/11/2003

Sie gehören schon seit langem zu den Favoriten auch des Publikums hier zu Lande, Jan Vincent und seine Hubbard Street Dance Company aus Chicago. Und so begrüßte (und verabschiedete) sie auch diesmal ein bestens aufgelegtes Publikum im Ludwigsburger Forum am Schlosspark. Immerhin waren sie die ersten, die uns mit Balletten von Twyla Tharp bekannt gemacht haben. Sie beeindruckten auch diesmal wieder durch ihre Frische, Spontaneität, ihre ansteckende Gutgelauntheit und Unbekümmertheit – nicht zu reden von ihrer tänzerischen Leichtfüßigkeit, ihrem jugendlichen Elan und Tempo. Und verkörpern so das perfekte tänzerische Porträt Amerikas vor dem 11. September 2001: seines scheinbar unbesiegbaren Hier-bin-ich-was-kostet-die-Welt-Optimismus.

Und das ist ihr Problem: sie sind sozusagen die Kompanie für das Vorabend-Programm. Und so tollen sie umher, treiben ihre neckischen Spielchen, sind schon mal ein bisschen traurig, aber gleich darauf wieder übermütig aufgedreht, gut erzogen, frisch geduscht und trocken gereinigt. Und wenn sie nicht aus Chicago kämen, könnten sie sehr wohl auch aus Manhattan, San Francisco oder Phoenix/Arizona stammen. Mit anderen Worten: sie sind austauschbar – wie ihre Choreografen (von denen zwei der fünf im Ludwigsburger Programm vertretenen ja auch beim Stuttgarter Ballett gearbeitet haben: Marguerite Donlon und Trey McIntyre), wie ihre Ballette, wie ihr globaler Stilmix aus Klassisch, Modern, Broadway und Street Dance. Das lässt sie so beliebig erscheinen. Und so könnten ihre Ballette weitergehen oder auch kürzer sein (was sowohl Donlon wie McIntyre zum Vorteil gereichen würde).

Am besten sind ihre außertänzerischen Einfälle. Wie die Sichtblende, die am Anfang und am Schluss von Donlons „Reverse Deconstruct“ Teile der Körper verschwinden lässt – was die Fantasie des Publikums mächtig anregt. Wie in dem Hollywood-Duo „Let‘s Call The Whole Thing Off“ von Harrison McEldowney à la „Let‘s Dance“ von Fred Astaire und Ginger Rodgers, in dem Charlaine Katsuyoshi und Joseph Pantaleon ihren Quassel-Strip schön sexy tänzerisch garnieren. Wie vor allem in Susan Marshalls „Kiss“, in dem Cheryl Mann und Tobin Del Cuore an elastischen Seilen das aller Erdenschwere enthobene Küssen praktizieren (haben Sie das auch schon mal ausprobiert, acht Minuten lang ohne Boden unter den Füssen zu küssen? Sollten sie unbedingt mal versuchen!).

Doch wenn uns McIntyre zum Schluss 25 Minuten lang in „Full Man Grown“ 12 Teenies mit den Spielchen von amerikanischen Pfadfindern in ihrem Sommer-Camp traktiert, mit Blindekuh, Seilspringen und Hopsen, dann erklärt uns das allenfalls, warum Amerikaner partout – eben nicht, wie es der Titel verheißt, erwachsen werden wollen. Und das erscheint mir denn doch eine allzu harmlose Botschaft aus dem Land of Hope and Glory!

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