Amanda Miller: „Firebird/Feuervogel“

oe
Freiburg, 31/05/2003

Samstagabend, volles Haus, Abo-Vorstellung, gleichwohl viel junges Publikum, exzellente Stimmung. Lange nichts von Amanda Miller gesehen. Der Doppelabend „Firebird/Feuervogel“ zusammen mit „The Happy End Problem“ nicht unbedingt mein Fall. Aber ich muss zugeben: eine durchaus eigene choreografische Handschrift, ausgesprochen musiksensibel – abseits von Forsythe, Bausch, Waltz, Kylian etc. Ob nun „Firebird“ oder „Feuervogel“ (als Konserve aus dem Lautsprecher) – der oder die (Rebecca Jefferson) ist zwar noch erkennbar, doch wer nun Ivan Astonavitch, wer Kostschei /Tzar Tatar, wer Princess Tagliotanovitch, wer Vladimir Stroganoff / „the ruf“ sein soll, habe ich nicht kapiert.

Dass die ganze Geschichte als „Mythical Moon Cartoon“ fungiert, habe ich hinterher im Programmheft gelesen. Tatsächlich haben die Figuren mit ihren extravaganten Hüten, ihrem ständigen Herumgelaufe und ihrem Gliederschlenkern etwas Marionettenhaftes, Cartoon-Figurenhaftes. Ich bewundere die Tänzer ob ihrer Bewegungsexzentrik und lese hinterher, dass das Ganze auf einem verwahrlosten Weltraumbahnhof in Kasachstan spielt, und dass Ivan ein Kosmonaut ist, der zum Mond fliegen will und dass ein Raketenstart missglückt. Na ja! Vielleicht bin ich doch schon zu alt und zu konservativ für ein solch modernes Märchen. Gelangweilt habe ich mich aber keinen Moment.

„The Happy End Problem“ hat mit einer Fünf-Punkte-Konstruktion ungarischer Mathematiker zu tun, was ich nicht bemerkt habe. Es thematisiert den ewigen „Wunsch der Menschheit zu fliegen, die Werte von Freiheit und Liebe und die Energie des Feuers.“ Voilà! Neun Tänzer, auf Stühlen im Kreis sitzend, auf ständig rotierender Drehbühne, mit immer neuem Stühle rücken, bis sie zum Schluss alle wieder in ihre Ausgangsstellung zurückkehren. Viele Soli in Millers abwechslungsreichem Schlenker- und Schlotterstil – immer sehr musikgebunden. Und die Musik finde ich das Beste an diesem Ballett: eine Komposition von Fred Frith, wohl ein Angloaustralier. Strawinskys „Feuervogel“-Musik geschreddert (aber das höchst intelligent und erkennbar – im Gegensatz zu manchem Chopin-Attentat der jüngeren Vergangenheit), elektronisch manipuliert, mit Naturgeräuschen verfremdet plus Aperçus vom live gespielten Klavier – wie gesagt: eine kluge, durchaus tanzinspirierende Musik.

Und getanzt wird bei Amanda Miller und ihrer Pretty Ugly Company. Sozusagen in einem Alltagsjargon, in dem klassisch-akademische Reminiszenzen immer wieder von fern aufblitzen. Nicht uninteressant – und jedenfalls als Theaterabend entschieden anregender und unterhaltsamer als Meg Stuarts enervierende Fall-out-Exzesse neulich in Zürich (und inzwischen ja auch in Berlin).

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