Ivan Sertic und Ludmilla Narranda
Ivan Sertic und Ludmilla Narranda

Prägend für die Münchner Ballettszene

Pick bloggt über Ivan Sertic und Erich Zschach und sendet Geburtstagsgrüße

Die zwei Jubilare vom Gärtnerplatztheater haben schon mehr als Siebzig (Erich Zschach) und das biblische Alter von neunzig Jahren (Ivan Sertic) erreicht – und das bei guter Gesundheit.

München, 27/01/2017

Zwei Jubilare vom Gärtnerplatztheater haben schon mehr als Siebzig und das biblische Alter von neunzig Jahren erreicht – und das bei guter Gesundheit. Die Rede ist vom ehemaligen Ballettdirektor Ivan Sertic und dem Ersten Solisten Erich Zschach, die mit der Dritten im Bunde, Ludmilla Naranda, die einzigartig bunte Ballettszene in Deutschland von den 1960er Jahren bis in die neunziger Jahre mit beeinflusst, und nicht zuletzt am Staatstheater am Gärtnerplatz, geprägt haben.

Ivan, der am 12. Januar 1927 in Zagreb geboren und aufgewachsen ist, wurde dort an der staatlichen Ballettschule nach russischem Muster ausgebildet, leistete sich aber auch Paris und London sowie Moskau für weitere Studien. Für ein erstes Engagement ging er dann ans Theater in Zagreb, wo er seiner lebenslangen Liebe Ludmilla begegnete. Die damalige Hauptstadt Jugoslawiens, Belgrad, war dann das Sprungbrett in den Westen. Er kam zu Tatjana Gsovsky, die damals fünf Jahre in Frankfurt/Main war, ehe sie zurück nach Berlin ging. Sie war eine besondere Erfahrung für ihn als Tänzer, aber auch für seine choreografische Entwicklung. Tatjana besetzte ihn besonders gern in skurrilen Rollen, zum Beispiel als Don Perlimplin in „Der rote Mantel“ zu Musik von Luigi Nono, das Tatjana schon in Berlin uraufgeführt hatte. Ich bin davon überzeugt, dass die Zusammenarbeit mit der Gsovsky für Ivan richtungweisend wurde, denn er fing kurz danach, als Ballettchef in Heidelberg, an zu choreografieren. Nach zwei Spielzeiten wechselte er schon nach Lübeck und nach zwei weiteren Jahren in der Hansestadt nach Wuppertal. Dort war die Nachfolge von Erich Walter zu besetzen, der erstmals diese Stadt zu einer Ballettstadt gemacht hatte. Walters Abschied hinterließ ein großes Vakuum, das zunächst Alan Carter zu füllen versuchte, jedoch ohne großen Erfolg. Sertic gehörte damals schon zum Leitungsteam und hielt nach Alan Carters Weggang fortan alle Fäden in der Hand. Er produzierte einen Erfolg nach dem anderen.

In diesen Jahren, wie auch in der Zeit als Erich Walter Furore machte, war ich oft in Wuppertal, das auch ein sehr gutes Schauspiel hatte. Schon sehr früh war in dieser zerbombten Industriestadt ein neues Opernhaus im Stadtteil Barmen gebaut worden. Die Stadt bot also die besten Möglichkeiten, um gutes Theater im richtigen Rahmen sehen zu können. Auch „Schwanensee“ gab es da auf einer deutschen Bühne und nicht nur wie sonst so oft mit wackeligem Tournee-Dekor.

Natürlich habe ich nicht alle Produktionen, die Ivan in Wuppertal gemacht hat, gesehen, aber seine „Coppelia“-Version mit dem Bühnenbildner Zlatko Bourek, die den Puppenakt für diese konservative Zeit zu einem Ereignis machte, als eine Puppe einem gekrönten Haupt mit einem Vorschlaghammer auf dasselbe schlug und der kopflos weiterlief. Ob es in dieser oder einer anderen Produktion war, weiß ich nicht mehr, aber feststeht, dass ich, als ich den zweiten Jubilar Erich Zschach zum ersten Mal sah, beeindruckt war. Sein Franz, der in die Swanilda bis über beide Ohren verliebt war und dies herrlich unschuldig über den Orchestergraben brachte, hatte im Parkett viele Verehrerinnen, die ihn gerne zum Standesamt geschleppt hätten. Das muss vor 1968 gewesen sein!? Aber es gab auch keine Ballerina, die sich den starken Händen dieses Prinzen-Partners nicht gerne anvertraut hätte, so auch eine der berühmtesten von der Bayerischen Staatsoper: Margot Werner, mit der er einen „Dornröschen“-Film aufzeichnete.

Ivan Sertic bekam dann bald das Angebot ans Gärtnerplatztheater in München zu wechseln. Das nahm er an, aber natürlich nicht ohne seine Frau Ludmilla, die wiederum nicht ohne ihren Tanzpartner Erich Zschach ins ferne Bayern wollte. Und der Lebenspartner von Erich, Marjan Jagust, zog ebenfalls mit nach München und wurde dort Charaktersolist und Assistent. Das Ballett stand zu dieser Zeit fast jeden Abend auf der Bühne, was bedeutete, dass die Einsätze im Musiktheater unter dem Intendanten Kurt Pscherer eigentlich ohne Pause waren. Trotzdem war diese Periode des Schaffens sehr erfolgreich und höchst befriedigend. Neben den schon genannten Produktionen aus Wuppertal war vor allem Hans Werner Henzes „Undine“, die sowohl für das Orchester als auch für die Tänzer eine Riesenherausforderung war, eine der besten, die ich von Ivan gesehen habe. Ich zog Ivans Version sogar der Uraufführung beim Royal Ballet in London vor – mit Ausnahme des Einfalls von Ashton, der das Schattensolo für die große Margot Fonteyn erfand. Zu der Zeit hatte ich zwar nur den Film gesehen, aber mein früherer Eindruck blieb auch, als ich die Produktion in London später live sah – allerdings ohne Dame Margot.

Ich hatte noch Ivans letzte Produktion von „Aschenbrödel“ gesehen, ehe ich das Angebot des Intendanten Dr. Matiasek bekam, am Gärtnerplatz Sertics Nachfolger in der Ballettdirektion zu werden. Ein schwieriger Schritt, um nicht zu sagen Schnitt in Ivan Sertic Leben! Wir haben noch zwei Spielzeiten „Aschenbrödel“ im Repertoire behalten, damit eine Art Übergang beim Direktionswechsel entstand. Erich hätte ich aus den schon erwähnten Gründen gerne behalten, denn er war ein sehr guter Tänzer und in jenen Jahren war es nicht leicht eine solche Lücke zu schließen. Aber Erich, mit dem ich ein Gespräch führte, sagte mir klipp und klar, dass er bereits andere Pläne habe und auch nicht als Gast, so wie Ludmilla, zur Verfügung stehen könne, da er eine Umschulung zum Maskenbildner machen wolle.

Aber auf diese andere Weise haben wir später doch noch zusammengearbeitet, zum Beispiel als wir „Nussknacker“ ins Repertoire nahmen. Erich war verantwortlich für den Maskenkopf des Nussknacker-Tänzers (Johannes Huber) und ich erklärte ihm, wie ich mir die Verwandlung des im Kampf mit dem Mäusekönig Gefallenen vorstellte. Der Kopf musste hinter einem Kissen leicht und schnell verschwinden, ehe der nun verwandelte Prinz sich wieder erhob. Erich hat das zuerst mit einem Probenkopf, der heute noch auf meinem Schrank steht, wunderbar fertiggebracht.

Glücklicherweise fehlte Konstanze Vernon an der Ballett-Akademie in München ein Dozent für das Fach Folklore, so dass Ivan als Nachfolger von Michel de Lutry Charaktertanz unterrichten konnte, was ähnlich, aber natürlich nicht dasselbe ist wie ein Choreografenleben. Und doch war es eine glückliche Wendung, denn bei jeder Vorstellung, die die Bosl-Stiftung fortan mit den 2200 Plätzen der Staatsoper München veranstaltete, und ich habe, glaube ich, alle gesehen, war der Programmpunkt „Balkan-Folklore“ der Höhepunkt der Matinee. Das Publikum wollte nicht aufhören zu applaudieren, ganz gleich, ob vorher Hans van Manen, Petipa oder Ashton schon triumphiert hatten.

Ich war schon während meiner Ausbildung ein Fan der Folklore, wenn es auch mehr die spanische Seite war, aber diese Einstudierungen von Ivan waren so raffiniert als Bühnenspektakel inszeniert, dass ich am liebsten mit auf die Bühne gesprungen wäre. Ich würde mir wünschen, es gäbe mehr solche Lehrer, es würde wieder mehr Folklore unterrichtet, vor allem bei den Anfängern. Denn das ist der wahre Tanz, bei dem es jedem in den Füßen juckt, ob Profi, Zuschauer oder einfach Mittanzender! Danke Ivan, danke Erich! Ich wünsche Euch, gemeinsam mit vielen anderen, wenn auch verspätet, weiter Spaß am Leben! Und Dir, Ivan, weiter so viel Fantasie, die Du seit geraumer Zeit mit Farbe auf Leinwand bannst. Wann können wir eine Ausstellung organisieren, Ludmilla?

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