Fallen. Aufstehen!

Sharon Fridmans „Caída Libre“ als deutsche Erstaufführung in Ludwigshafen

Es gibt sie, die kleinen Theaterwunder. Das Duo „¿Hasta dónde…?“ des in Madrid lebenden israelischen Choreografen ist so eines: fünffach in choreografischen Wettbewerben preisgekrönt und letzten Sommer beim ARTORT-Festival in Heidelberg

Ludwigshafen, 21/02/2015

Es gibt sie, die kleinen Theaterwunder. Das Duo „¿ Hasta dónde…?“ des in Madrid lebenden israelischen Choreografen Sharon Fridman ist so eines, fünffach in choreografischen Wettbewerben preisgekrönt und im letzten Sommer beim ARTORT-Festival in Heidelberg zu sehen. Da geht es ums Fallenlassen und Getragenwerden – und es ist vielleicht der entscheidende Kunstgriff dieser Produktion, dass Fridman sich einen Nicht-Tänzer als Partner gesucht hat. Das wird das Fallen tatsächlich riskiert und nicht nur mit dem Körper beschrieben.

In Sharon Friedmanns neuem Stück „Caída Libre“ („Freier Fall“) sind die Darsteller schon einen entscheidendes Stück weiter: Sie fallen tatsächlich. Und brauchen Kraft zum Aufstehen, wieder und wieder. Woher kommt diese Kraft? Die Antwort des Choreografen ist sehr menschlich, eindeutig, und auch ein bisschen eindimensional – sie kommt nicht aus dem Einzelnen, sondern aus der Gemeinschaft. Damit diese Gleichung überzeugender aufgeht, hat sich Friedmann eine ganz große Schar Mitwirkender gesucht, neben seiner sechsköpfigen eigenen Kompanie fast 30 junge Laientänzer, gecastet in Tanzschulen der Region. Wie so oft hat der Pfalzbau hier als Co-Produzent gezeichnet, und die Endproben für die Deutsche Erstaufführung fanden in Ludwigshafen statt. Es ist dabei erstaunlich, wie gut die ambitionierten Laien in nur vier Probentagen eingeschworen werden konnten.

Sie rennen anfangs (zu passend designter Musik von Luis Miguel Cobo) inbrünstig und bis zur drohenden Erschöpfung im Kreis, bis einer fällt. Und dann ist es tatsächlich dieser eine, der aus dem Sog ausschert, der nach und nach die ganze Gruppe zum Anhalten und Fühlen der eigenen Erschöpfung bringt. Damit ist das zentrale Thema des Stücks auch schon hinreichend beschrieben: Fallen. Aufstehen! Wenn auch jeder für sich fällt, dann kommt die Hilfe für das Aufstehen aus der Gruppe: immer wieder ist es die Kraft vieler hilfreicher Hände, die den Sieg über die beinahe überwältigende Schwerkraft davonträgt, die alle immer wieder niederzwingt – vornehmlich die Solisten. Aber die Wirkung der großen Gruppe kommt auch zum Tragen: Es ist einer der bewegenden Bilder dieses Abends, wenn die große Schar der jungen Leute (in grau abgestuftem minimalistischen Lagenlook) wie eine Welle diagonal über die Bühne schwappt, ein unaufhaltsamer Strom von kriechenden, rutschenden Körpern.

Das artifizielle Fallen bleibt natürlich den sechs Tanzprofis vorbehalten, die ihre Sache gut, vielleicht zu gut machen: Das Risiko, dass zum Zauber seines preisgekrönten Duos beigetragen hat, ist im neuen Stück gezähmt und wohlkalkuliert: Es gibt, sozusagen, ein unsichtbares Sicherheitsnetz für jeden „freien Fall“… Und noch einen Einwand muss sich Fridman gefallen lassen: Bei allem dramaturgisch wohlkalkulierten Aufbau fehlt diesem Stück die innere Entwicklung. Immer wieder begegnen sich die helfenden Hände von Fallenden und Aufstehenden, beständig werden die Rollen gewechselt. Solidarität ist ein schönes Prinzip – aber auch spannungslos. Nicht einen Egozentriker, nicht einen Störenfried gönnt Fridman diesem Reigen, der dann auch nach nur knapp 60 Minuten vorbei ist.

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