Bejing LDTX Modern Dance Company

„The cold dagger“ beim Festival Tanzwelten '08 am Staatstheater Braunschweig

Braunschweig, 12/03/2008

Olympische Spiele kommen auf Peking zu. Legionen schreiten choreografiert. Bänder flattern froh, farbig und massensuggestiv. Wie er beim „Tanzwelten '08“-Gespräch darlegt, reizt Spektakel dieser Art Willy Tsao kein bisschen. Beim Braunschweiger Publikum punktet der Gründer der Bejing LDTX Modern Dance Company als Nonkonformist. Für modernen Tanz begeistert er sich, denn dieser sei ein riesiges Experimentierfeld und zum anderen Kunst, die man den Nationen nicht übersetzen muss. Es heißt, die Sprache der Tänzer sei international.

Doch es birgt Risiko, darauf zu bauen. Als Einleitung des Tanzabends „The cold dagger“ formieren die Tänzerinnen und Tänzer eine Linie vor der schwarzen Rückwand. Nach kurzem Innehalten schließen sich einige Schritte in Richtung des Publikum an und auf diese Weise nimmt die Gruppe die Tanzfläche ein. Die Zielpositionen markieren Stoffe in weiß oder schwarz. Die Akteure, Männer wie Frauen, tragen verspielte Gewänder aus demselben dünnen Material. Doch keine Minute wirkt dieser zeremonielle Auftakt: Es knallt scharf, die Tänzerin ganz vorne fliegt auf und im wiederkehrenden Licht nimmt man sie als regloses Bündel am Boden wahr. Das Thema Terror oder militärische Repression steht im Raum. Fernöstliche Poesie hatte der Titel des Stückes „The cold dagger“ - „Das kalte Schwert“ wahrlich nicht in Aussicht gestellt.

Vielmehr verglich die Kompanie in ihrem Einführungstext zum Stück das Leben mit einem Brettspiel. Die kontrastierende Kleidung sowie ein aus 81 Quadraten zusammengesetzter Tanzboden entspricht dieser Idee. Die mit dem Rücken zum Publikum sitzende Gruppe vollführt bald synchron mit dem rechten Arm einen Kreis, geschwind schalten die fünf Finger der Hände von Fächeln der Luft auf ihr Durchbohren um. Die vornehmlich ruhige Cellopartitur von David Darling „Dark Wood and Cello“ vermittelt akustisch innere Sammlung und Kraft.

Dennoch will der Abend nicht eins werden. Trotz aller mit scheinbarer Leichtigkeit und obendrein präzis ausgeführter Bewegung packt er nur passagenweise. Zu nennen wäre hier vor allem eine Sequenz mit einem Quartett von Darstellern in schwarz und einer Tänzerin in weiß. Voller Spannung verfolgt das Publikum diese Auseinandersetzung der beiden ungleichen Seiten und die Zähigkeit, mit der sich ein Individuum da der Bändigung, dem Fesseln und letztlich der Beseitigung widersetzt. Unter den virtuosen Bewegungen beschreibbar sind zwei Momente: Einer, in welchem das Tänzerquartett ihre Arme und Beine zu Speichen eines Rades dehnt, ihr Körper zur Achse im sich drehenden Ring wird. Oder, wenn die Vier wie die Flanken eines Turms für Sekunden stillhalten, während sie, an den Fußgelenken gehalten mit ihren Kopf wenig über dem Boden wie ein Tropfen zwischen ihnen hängt. Stimmig schließt ein von Trauer und Ruhe geprägtes Schlussbild die energische Auseinandersetzung.

Doch der Fortgang der Choreografie scheint, wie schon der Schuss zu Beginn, ohne Beziehung zu dem, was eben unter Einsatz theatraler Mittel und körpersprachlich unzweideutig angekommen ist. Schlichte Verdunkelung zwischen den Szenen stiftet an zu fragen, was eine Sequenz mit der darauf folgenden zu tun hat. Das Ensemble verkleinert sich nicht, was, anders als beim Schach, beim chinesischen Weigi auch für die Figuren auf dem Spielbrett gilt. Ein Gewinnen oder Verlieren zeichnet sich nicht ab. Die Behauptung von kulturübergreifendem Verstehen im Tanz wird zweifelhaft. Wer Yin und Yang als Europäer noch nicht verinnerlicht hat, dem dient sich plötzlich die Schublade Ritus für dem Abend an. So lässt das Interesse nach und das Auftreten eines Solotänzers mit wirbelndem schwarzen Band wird Indiz, dass dem Choreografenpaar Li Han-Zhong und Ma Bo ob der Optik die ursprüngliche Idee von Brettspiel als Symbol für Leben und Schicksal verloren ging. Eine frappierende Wende im Schlussbild hilft nicht darüber hinweg.

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