„Metamorphosis“ von David Dawson, Tanz: Sae Tamura, Guillem Rojo i Gallego

Haltung, Halt und Hingabe

Das Ballett Dortmund vereint „Metamorphosis“ und „Affairs of the heart” von David Dawson

Alles fließt: zwei Arbeiten des britischen Choreografen zeigen seine typische Handschrift

Dortmund, 15/04/2024

Von Lynn Kuhfuß

 

Mit dem Abend „Dawson“ zeigt das Ballett Dortmund zum ersten Mal Choreografien des international renommierten Choreografen David Dawson. Der Lebensweg des Briten ist von Erfolgen geprägt; zuletzt tanzte er bei der Forsythe Compagnie, bevor er sich 2002 ganz den eigenen neoklassizistischen Kreationen widmete. „Metamorphosis“ und „Affairs of the Heart“, bilden einen Abend, in dem die Bewegungssprache Dawsons aufblüht: keine Aneinanderreihung von Positionen und Posen, sondern intensive Arbeit an den Verbindungsstellen der Bewegungen. 

Dem Licht entgegen

„Metamorphosis“ entstand 2021 unter Pandemiebedingungen, zunächst für das Junior Ballet Antwerp, und wurde dann für das Dutch National Ballet in Amsterdam als Film fertig gestellt.  Fünf Frauen und fünf Männer entfalten nun live auf der Bühne des Opernhauses zu den „5 Metamorphosis“ von Philip Glass ein fraktales System auf der Suche nach Licht in der Dunkelheit.  Sanft und hypnotisch zugleich begegnen sich Sae Tamura und Guillem Rojo i Gallego im Eröffnungsduett. In ihren sehnsüchtigen Blicken liegt ein Hauch von Ungewissheit, doch in der Überwindung ihrer anfänglichen räumlichen Distanz entstehen immer neue Kontaktpunkte. 

Wie auch in der Musik arbeitet „Metamorphosis“ mit Repetitionen in Bewegungen und gezogenen Linien, zum Teil auf geschätzten eineinhalb Meter Abstand: immer wieder ein Neukonstruieren, Neukonstellieren und Neuaufbauen. Kontinuierlich laufen die Tänzer*innen ihre Arme weit ausbreitend etwas entgegen, vielleicht einem Erlösung versprechendem Licht, voller Hingabe und Sehnsucht. Dabei umfließen die langen Oberteile der Männer, in langen Strumpfhosen, ihre Bewegungen. Die Kostüme der Frauen sind auf ein fast durchsichtiges weißes Trikot minimiert, passend zu dieser Ode an den Purismus.

Nach einer Pause folgt „Affairs of the Heart”: auf der Bühne nun eine graue Box, deren Rückwand zwei übergroße schwarze Zeiger und ein rechter Winkel zieren. Scheinbar unbemerkt schieben sich diese über die Bühnenwand und lassen geometrisch gefasstes buntes Licht auf den Bühnenraum fallen (Bühne: Eno Henze). Zum titelgebenden Violinkonzert des Kanadiers Marjan Mozetic führt Koji Ishizakadie Dortmunder Philharmoniker, Solovioline Shinkyung Kim. 

Die Textur von Liebe

Die zarte Leidenschaft der Musik zeigt sich auch in den Solis, Ensembles und Pas de Deux der 13 Tänzer*innen.  Empfänglich füreinander verhandeln die Tänzer*innen spielerisch leicht, mal synchron, mal asymmetrisch Herzensangelegenheiten. „I imagined the heart as a person, and how this heart could somehow show the effects or patina of all those emotions, dark and light, as colour and movement”, so Dawson. Die Musik baut sich auf, die Bühne füllt sich mit vier Paaren, die in unterschiedlich konstellierten Hebungen und technisch strapaziöse Schritte jeden Moment auskosten. Ganz vorn ein Solo von Matheus Vaz, geprägt von kraftvollen Grands Jetés, die unaufhaltsam in Drehungen fließen. Somit zeigen sich in „Affairs of the Heart“ keine Beziehungskonstellationen, sondern vielmehr die Energie des Herzens. 

Spannungsgeladen und doch so sanft sind die Tänzer*innen im gesamten Abend, wundervoll typisch für Dawson, immer im unsichtbaren Übergang zur nächsten Bewegung. Vom ersten Moment an verschmelzen die Tänzer*innen des Ballett Dortmund in komplexen Bewegungsmustern mit der kompositorischen Struktur der Musik und lassen dies, sich ihr und uns hingebend, in den Zuschauer*innenraum fließen. Weder als Kontrast noch als Symbiose korrespondieren „Metamorphosis“ und „Affairs of the Heart“. Dies ist auch Absicht, denn der Ballettabend „Dawson“ ist eine Einladung zur Erfahrung von David Dawsons Vision, ein poetischer Raum zum Eintauchen in das unaufhaltsame Fließen der Bewegungen. 

 

Dieser Text entstand im Rahmen des Projekts „Bewegungsmelder – Werkstatt für Tanzjournalismus aus NRW“, einer Kooperation von tanznetz mit dem Masterstudiengang Tanzwissenschaft des Zentrums für Zeitgenössischen Tanz (ZZT) an der Hochschule für Musik und Tanz Köln und dem nrw landesbuero tanz.

 

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