„Skatepark“ von Mette Ingvartsen

Skating goes Theatre

„Skatepark“ von Mette Ingvartsen bei den Wiener Festwochen

Soziale Utopie einer all-inclusive-community, die aufeinander risikoreich Rücksicht nimmt

Wien, 22/05/2023

„Wenn wir normalerweise skaten, tun wir das mit vollem Risiko für Blessuren. Und gehen dann erst wieder in den Park, wenn wir ok sind. Aber in diesem Bühnen-Projekt skaten wir jeden Abend, da müssen wir unter unserem Limit bleiben“, sagt sinngemäß einer der trotzdem fulminant wirkenden Skateboarder in schlabbriger Latzhose aus der eben zu Ende gegangenen 80 Minuten kurzweiligen, lauten und auf Theaterwildheit getrimmten jüngsten Show „Skatepark“ von Mette Ingvartsen.

Die Wiener Festwochen zeigen in der Halle G (Museumsquartier) gemeinsam mit dem Tanzquartier den künstlichen Parcours von Skateboarder*innen und Rollerskater*innen in dem vom Architekturbüro Antidote speziell für Bühnenevents kreierten Skatepark, der sich tatsächlich an einem Tag aufbauen lässt. Eine der großen Herausforderungen dieser von rund zwanzig Ko-Veranstaltern produzierten Unternehmung, wie Ingvartsen beim angeregten Publikumsgespräch nach der zweiten Vorstellung mit Noch-Festwochen-Intendant Christophe Slagmuylder schildert. (Er geht zurück nach Brüssel, um das Palais des Beaux Arts zu übernehmen. Sein Nachfolger in Wien ist Milo Rau.)

Sie habe zwei Kinder, erzählt die 42jährige, in Brüssel lebende Choreografin, mit denen sie oft im Skatepark war, aber auch sie selbst hat Erfahrung, tritt aber in diesem Bewegungsstück nicht selbst auf. Der Abend gehöre der Jugend, einem fix gecasteten zehnköpfigen Team, der Älteste ist 36, und jeweils einer Gruppe von lokalen Skatern. In Wien waren es sechs.

Es habe sie interessiert, sich näher mit diesem ursprünglich als subkultureller Bewegung entstandenen, heute kommerzialisierten Körperausdruck und Kunst-Können zu befassen. Das spezifische Gespür der Skater*innen für Raum, den sie ständig neu kreieren, sei ebenso bewundernswert wie ihre Eleganz und ihre Achtsamkeit aufeinander. Fast ließe sich dieses temporäre Netzwerk mit einer sozialen Utopie in Zusammenhang bringen, in der Jeder und Jede seine Risiken selbstbestimmt und freien Willens trägt, aber trotzdem in der Community gemeinschaftlich funktioniert.

Als Zuschauerin, die sich kaum in Skateparks aufhält, fällt einem zunächst wenig Unterschied zum öffentlich betriebenen Sport auf, der auch schon eine Olympische Disziplin geworden ist. Bei Ingvartsen geht es allerdings nicht um Virtuosität, sondern um das präzise Re-Inszenieren von Aktionen, die sie im Team erarbeitet hat. Das ist Alles „written“, meint sie, auch die Energie mit der sie auftreten. Wobei die Frauen in der Unterzahl sind. „Ja, das ist immer noch so; es sind vor allem Boys, die skateboarden, bei den Rollerskater*innen dominieren die Frauen.“

Ingvartsen stülpt ihrem diversen Ensemble immer wieder Masken über, einmal Baby-Masken, dann Totenkopf-Plastik, Stoffüberzüge. Das solcherart theatralische Element verfehlt seine Wirkung nicht. Man kann schon erschrecken, wenn sich eine/r der solcherart Ausstaffierten zu den Zuschauerreihen bewegt. Viel Spaß hatten viele der Zuschauenden mit der mitgebrachten, mitgesungenen und immer wieder modifizierten Techno-Punk-Elektro-Musik der Skate-Theater-Leute. Da wurde sitzend mitbewegt, der ausgeteilte Gehörschutz kam wohl wenig zum Einsatz. Begeisterter Applaus für die Performer*innen Damien Delsaux, Manuel Faust, Aline Boas, Mary-Isabelle Laroche, Sam Gelis, Fouad Nafili, Júlia Rúbies Subirós, Thomas Birzan, Briek Neuckermans und Indreas Kifleyesus.

 

Kommentare

Noch keine Beiträge

Ähnliche Artikel

basierend auf den Schlüsselwörtern