„Echoes of Life“ von Kristina Paulin, Thiago Bordin, Marc Jubete, Tanz: Silvia Azzoni, Alexandre Riabko

Bewegende Spiegelungen

„Echoes of Life“ in der Empore Buchholz

Ein wunderbarer Ballettabend von drei Choreograf*innen für zwei herausragende Tänzer*innen: Kristina Paulin, Thiago Bordin und Marc Jubete haben für Silvia Azzoni und Alexandre Riabko ein tief berührendes Stück über die Endlichkeit des Lebens und die Unendlichkeit der Liebe kreiert.

Buchholz, 13/05/2023

Es ist schon eigenartig, dass man für einen herausragenden Tanzabend mit zwei nicht minder herausragenden Solisten 40 Kilometer vor die Tore Hamburgs fahren muss. Offenbar fand sich in Hamburg mal wieder keine Bühne für dieses Stück, das eigentlich in die K6 auf Kampnagel gehört hätte. Aber dort fremdelt man anscheinend mit derlei Werken, noch dazu, wenn sie von (ehemaligen) Mitgliedern des Hamburg Ballett geschaffen und getanzt werden. Dabei wäre es gerade wünschenswert, dass es hier endlich zu einer engeren Zusammenarbeit käme – sie wäre für alle Seiten gewinnbringend.

Das Ganze ist noch bedauerlicher, weil es sich bei den beiden, für die dieses Stück kreiert wurde, um zwei der erklärten Publikumslieblinge des Hamburg Balletts handelt: Silvia Azzoni – seit 1993 im Hamburg Ballett, seit 2001 als Erste Solistin, seit 2021 als Sonderdarstellerin – und Alexandre Riabko, seit 1996 im Ensemble, seit 2001 als Erster Solist, seit 2022 als Sonderdarsteller. Sie gehören zwar noch zur Kompagnie, werden vom Hamburger Ballettintendanten aber so gut wie gar nicht mehr besetzt. Dabei wären sie trotz ihres Alters – Silvia Azzoni wird dieses Jahr 50, Sasha Riabko ist 45 – durchaus noch willens und ebenso in der Lage, die großen Rollen zu tanzen. Es gibt nun mal Tänzer*innen, die so etwas wie das ewige Leben haben auf der Bühne. Weil ihr Körper es zulässt, weil ihre Technik exzellent ist, und – dies vor allem – weil ihre Seele es will. Margot Fonteyn war eine solche Tänzerin, Marcia Haydée ebenso, Alessandra Ferri ist gerade 60 geworden und wird im Juni im Rahmen der Hamburger Ballett-Tage an drei Abenden die Rolle der Romola in John Neumeiers „Nijinsky“ übernehmen. Es geht also doch …

Aber in jeder Abweisung oder Enttäuschung liegt bekanntlich eine Chance, und Silvia Azzoni und Sasha Riabko, die nicht nur auf der Bühne, sondern auch im wirklichen Leben seit vielen Jahren ein Paar sind, verstehen sie zu nutzen: Sie tanzen weiter, sie treten international auf, und es gibt Choreograf*innen, die eigens für sie Stücke kreieren, weil sie um die tänzerische Brillanz und die enorme Darstellungskraft der beiden wissen. Dazu gehören zum Beispiel drei frühere Kolleg*innen aus der Hamburger Kompanie: Kristina Paulin, Thiago Bordin und Marc Jubete. Die 32-jährige Slowakin Kristina Paulin (geb. Borbelyova) wurde an der Ballettschule des Hamburg Ballett ausgebildet, war von 2010 bis 2021 Gruppentänzerin und begann schon 2016 mit eigenen Kreationen. Heute ist sie eine weithin gefragte freie Choreografin. Der 40-jährige Brasilianer Thiago Bordin, Stipendiat der Tanzstiftung Birgit Keil, war von 2001 bis 2014 in der Hamburger Kompanie, seit 2006 als Erster Solist. Von 2014 bis 2016 war er beim Nederlands Dans Theater engagiert, seither arbeitet er freiberuflich, vorwiegend als Choreograf, unter anderem für das Staatsballett Karlsruhe und das Ballett der Griechischen Nationaloper. Und dann ist da noch der 33-jährige Spanier Marc Jubete, ebenfalls ein Spross der Hamburger Ballettschule und von 2011 bis 2022 Mitglied des Ensembles, seit 2016 als Solist. Schon damals tat er sich auch als Choreograf hervor und war unter anderem beteiligt an dem 2019 in der Hamburgischen Staatsoper uraufgeführten Ballettabend „Shakespeare-Sonette“ (zusammen mit Aleix Martinez und Edvin Revazov).

Dieses Trio also schuf nun für Silvia Azzoni und Sasha Riabko den gut einstündigen Ballettabend „Echoes of Life“ zu Klaviermusik von Claude Débussy, Frédéric Chopin, Philipp Glass, Robert Schumann, Sergej Rachmaninow, Franz Schubert, Maurice Ravel, Nikolai Tcherepnin und Johann Sebastian Bach. Er wurde schon mehrfach anderswo gezeigt, unter anderem in Italien. Jetzt also in der „Empore“ in Buchholz, auf Initiative von Monika Brandt, die das Hamburg Ballett viele Jahre lang als Physiotherapeutin betreut hat und in der Kleinstadt in der Nordheide wohnt.

Was das Publikum im voll besetzten Saal zu sehen bekam, war hohe Tanzkunst vom Feinsten. Silvia Azzoni und Sasha Riabko konnten tief in die Schatzkiste ihrer Tanz- und Lebenserfahrung greifen und brachten die verschiedenen Facetten eines Menschenlebens – ob als Paar oder alleine – tief berührend auf die Bühne. Die Bewegungssprache der drei unterschiedlichen Choreografien ging dabei nahtlos ineinander über und ergänzte sich auf wunderbare Weise. Während Kristina Paulin einen eher klassisch geprägten, behutsamen Stil pflegt, muten die Kreationen von Thiago Bordin und Marc Jubete etwas roher an, sie fordern viel bodennahe Kraft. Gerade dadurch spiegeln sich aber eben das Leben und die Liebe in ihrer vollen Bandbreite, mit allen Höhen und Tiefen, Schmerzen und Leiden, aber auch mit den erfüllenden Glücksmomenten und schließlich der Hingabe an das Ende, das nur ein neuer Anfang ist.

Michal Bialk am Flügel legte Silvia Azzoni und Sasha Riabko einen sensibel gespielten musikalischen Teppich unter die Füße und brillierte immer wieder auch mit solistisch dargebrachten Stücken. Die 350 Zuschauer*innen waren zu Recht begeistert und feierten alle Beteiligten mit Standing Ovations.

 

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