„16BIT“ von Paula Rosolen / Haptic Hide

Der Beat als Lebensgefühl

Wiederaufnahme von „16BIT“ von Paula Rosolen/Haptic Hide in der Muffathalle München

Eine Tour de force aus körperlicher Lust am tänzerischen Auspowern

München, 24/02/2023

Alles in dieser Show sieht sehr sportiv aus – und auch ein bisschen eitel. Doch wenn man Tänzer*innen etwas sofort verzeiht, dann ihre Selbstverliebtheit im Dienst der Kunst. Schließlich kehren Capucine Schattleitner, Daniel Conant, Felipe Faria, Kyle Patrick, Steph Quinci und Steven Fast mit einer Produktion nach München zurück, die sich dank eingängigem Technosound unheimlich schnell auf ein mitreißendes Level einpendelt. Es geht darin einzig und allein um Energie und Rhythmus.

„16BIT“ lautet der Titel und getanzt wird so, dass schon mal die Gummisohlen quietschen. Sich staccatohaft wiederholende Bewegungsabläufe hat man hier bei der Uraufführung im vergangenen Jahr zum unterhaltungstauglichen Dauerelement hochstilisiert. Dabei zuzusehen ist wirklich ein Vergnügen. Denn seelenruhig lässt sich das alltagsgequälte Hirn ausschalten – allerdings hoffentlich nur auf Zeit. Die Tänzer*innen produzieren so viel motorisch aktiviertes Adrenalin, dass der Funke unmittelbar auf das Publikum überspringt. Nach 60 Minuten gipfelt das kunstvoll arrangierte Discofieber im Retrolook – sozusagen ein Trip zurück zu den Anfängen der Rave-Kultur – in einem Stroboskoplicht-Effektgewitter.

Alles beginnt mit einem elektronisch insistierenden Klopfen. Aus dem Dunkel der Halle schält sich ein Tänzer. Seine breit wie bei einem Footballspieler aufgepolsterte Schulterpartie beginnt rhythmisch zu zucken. Bald schmiegen sich weitere Klicks und Klacks in die anfangs noch akustisch schlanke Perkussion. Sie befeuern das dynamische Hin und Her und reißen nach und nach von der Hüfte bis zur Ferse immer mehr Bereiche des durchtrainierten Körpers mit sich.

In klar abgehackten Moves und Freestyle-Schwüngen sinkt die Gestalt langsam auf die Knie. Gleichzeitig nähert sich ihr ein zweiter Tänzer. Auch der strotzt nur so vor Power. Durch seine Adern pulsiert der Beat-Blues. Alsbald werfen sich die beiden – von den simplen Klängen schier durchdrungen – unsichtbare Energiebälle zu. Kaum zwei Minuten sind vergangen, da steckt man schon mittendrin in einem rein physisch amüsanten Ping-Pong-Spiel.

Raum für Inhaltliches oder bewegend Emotionales bleibt der sechsköpfigen Crew in ihren glitzernden Trikots und auffälligen Sporttretern dazwischen wenig. Dafür steigern sich die Musik (Nicolas Fehr, mit Ausschnitten aus der titelgebenden 16-BIT-Single „Where Are You?“) und das oberflächlich-ausgelassene, bis hin zu ironisch-gebrochenem Durchbuchstabieren der Beatlastigkeit des Technostiles kontinuierlich. Was „16BIT“ aufgrund seiner übersichtlichen, detailkomplexen Struktur und durchweg herausragenden Performancequalität famos gelingt, führt allerdings über eine hippe Visualisierung wummernder Tanzmusik der 1980er und 90er Jahre kaum hinaus.

Aus zwei werden drei, vier, fünf und schließlich sechs Protagonist*innen. Jede*r ist Teil des Ganzen und vibriert, posiert und inszeniert sich zugleich als soundrezeptiver Individualist – solistisch ebenso gern wie in Verbindung mit den anderen. Immer neue Gruppierungsformen nimmt die Tour de force aus körperlicher Lust am tänzerischen Auspowern an. Man gibt sich gegenseitig Kraft. Und insofern schwingt bei „16BIT“ sogar eine gesellschaftlich wichtige Botschaft mit.

Kommentare

Noch keine Beiträge

Ähnliche Artikel

basierend auf den Schlüsselwörtern