„360°” von Kibbutz Contemporary Dance Company 2

Grandioser Auftakt

Die Kibbutz Dance Company 2 eröffnet das Münchner Festival THINK BIG! für junges Publikum im Muffatwerk

Tanz- und Musiktheater, Performance, Workshops und einen Fachtag kündigt das Münchner Festival THINK BIG! an und wendet sich ausdrücklich an ein junges Publikum.

München, 14/07/2018

Mit der Produktion „360°“ für die jungen Tänzerinnen und Tänzer der 1994 ins Leben gerufenen Kibbutz Dance Company 2 von Rami Be´er wird das Festival eröffnet. Und dieser Start könnte genialer nicht sein im Hinblick auf die Chancen des Tanzes dieser so frischen, kraftvollen und vor allem sehr individuellen, jungen Tänzerinnen und Tänzer für junge Zuschauer*innen.

Der Kontakt ist auf Anhieb hergestellt. Das Publikum sitzt an vier Seiten um die weiß ausgelegte Tanzfläche. Die Tänzerinnen und Tänzer setzen sich dazu, schon ist die Neugier geweckt, der Dialog beginnt. Zunächst sind es die Blicke zwischen den Tanzenden und denen, die zusehen. Dann kommt es zu ersten Kontakten, und Lächeln durchbricht Barrieren. Wenn dann die Stimmung das nötige Maß der Leichtigkeit des Seins erreicht hat, ist es auch möglich, ganz unverklemmt und von vertrauensvoller Zuneigung getragen, Zuschauer*innen mit auf die Tanzfläche zu bitten. Was ja mitunter ganz schön schief gehen kann, funktioniert hier. Die Tänzerinnen und Tänzer haben genau jenes nötige Maß an Sensibilität, welches es möglich macht, nicht mal einen Anflug nötigender Zwanghaftigkeit aufkommen zu lassen. Sie widmen sich ihrem Gegenüber und haben dennoch – dafür sind sie eben Profis – die ganze Gruppe nicht unbedingt im Blick aber immer im Gespür.

Und wer nicht das Glück hatte, mit auf die Tanzfläche gebeten zu werden, kann sich später in einen stimmungsvollen Dialog der Bewegungen mit den sechs Tänzerinnen und den drei Tänzern mit dem gesamten Publikum einlassen und zumindest für Momente die Erfahrung machen, dass unsere körperliche Präsenz viel weiter gehen kann in ihrer Wirkung und Wahrnehmbarkeit, als es die einschränkenden Praktikabilitäten des Alltags uns zu erlauben scheinen. Größer zu denken, die Körper sichtbar und präsent zu machen, das ist ja die Bedeutung der Anweisung „think big“ im Tanztraining.

Wie das bei den jungen Profis funktioniert, erfährt man natürlich auch, wenn sie in Sprüngen und Drehungen, einzeln, zu zweit, in der Gruppe, in der Übernahme und Veränderung von Bewegungen in so spannenden wie kommunikativen Dialogen wie selbstverständlich eben nicht vorführen, sondern als Möglichkeit der Verständigung, die der Sprache nicht bedarf, erfahrbar machen. Ein besonderer Moment ist eine Szene, wenn sich jeweils Paare der Company gegenüber stehen, wenn sie zunächst gut erkennbar noch jeweils zum Spiegel des Gegenübers werden. Bald aber werden auch Anregungen zu eigenen Bewegungsabläufen. Nicht etwa wie im Zerrbild eines Spiegels, sondern in der tänzerischen Erweiterung der Möglichkeiten dieser Dialoge spannender Bewegungskommunikation. Und wenn dann die ganze Gruppe zunächst in synchron geführten Facetten des Tanzes immer mehr an Kraft gewinnt, so sehr, dass sich aus der Kraft der Gruppe die individuellen Stärken entwickeln können, ohne aber den Schutz der Gruppe zu zerstören, dann dürfte sich gerade den jungen Zuschauerinnen und Zuschauern ein bestärkendes Gefühl eröffnen im Hinblick auf so manche Situation alltäglicher Erfahrungen.

Und das Ganze, dafür stehen Mathieu Chabaneix-Amor, Tamara Dekel, Larissa Dorella, Ella Gill, Leehe Kandell, Dvir Levi, Shira Molato, Shiri Peskin und Marco Russo Volpe in der Choreografie von Rami Be´er, der auch für die Gestaltung des Raumes, das Licht und die flotte Kleidung der Akteur*innen verantwortlich zeichnet, geschieht ohne jeden Anflug einer möglichen Belehrung. Es bleibt in der wunderbaren Leichtigkeit der tänzerisch-freundlichen Einladung, sich immer wieder zu bewegen, immer wieder die Drehung um 360° zu wagen und dabei zu erkennen, wie sich die Wahrnehmung all dessen, was wir zu kennen meinen, verändern kann.

Dazu gibt es ganz unterschiedliche Arten der Musik, unterschiedlich auch die jeweilige Art des Tanzes, mal werden Melodik oder Rhythmen aufgenommen, dann aber bleiben die Klänge Anregung für die Beförderung der eigenen Melodien des Körpers und der daraus sich entwickelnden Freiheit des Tanzes. Und auch deshalb ist die Eröffnung des Festivals mit diesem Gastspiel der jungen Tänzer*innen aus Israel so gelungen, denn es sind nicht nur so unterschiedliche Arten der tänzerischen Kommunikation dieser Produktion, es sind auch ihre Elemente des Theaters ohne Worte und die Momente der Performance, wenn die Freiheit der ganz und gar nicht zu inszenierenden Kommunikation des Augenblicks – was hier wörtlich gemeint ist – immer wieder diese 45 Minuten bestimmt. So lange dauert auch eine Schulstunde. Nach dieser „Stunde“ aber, das ist zu spüren, fällt der Abschied schwer, gegen eine Verlängerung gäbe es sicher kaum Widerstand. Aber auch das ist so schön zu erfahren, dass gerade die vergänglichen Momente nicht selten die des Glücks sind.

 

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