Kurt Peters unterrichtet am Institut für Bühnentanz, Köln Anf. 1970er Jahre
Kurt Peters unterrichtet am Institut für Bühnentanz, Köln Anf. 1970er Jahre

Erinnerung an Kurt Peters

Pick bloggt: Günter Pick trifft Gisela Peters-Rohse und erinnert sich an Kurt Peters

Er, der in diesem August hundert Jahre geworden wäre, bleibt einer der ganz Wichtigen für das Nachkriegstanzgeschehen, der dann auch einer der ersten sein durfte, der sich über den Deutschen Tanzpreis freute, wo Klaus Geitel ihm eine herrliche Laudatio hielt.

Ende August fuhr ich nach Köln, weil ich eine Veranstaltung in Erinnerung an das Werkbundtheater von Henry van der Velde im Rheinpark „südöstlich der Claudius Therme“ besuchen wollte. Leider war die Wegbeschreibung so vage, dass es auch durch Nachfragen nicht möglich war, den Ort zu finden. Besonders wenig erfreulich war das für mich, weil ich deswegen extra aus München gekommen war. So spielt das Leben mit besonders neugierigen Menschen. Allerdings nicht immer, denn an die Stelle des verpatzten Ereignisses rückte ein Besuch bei Gisela Peters-Rohse. Übrigens hatte auch sie den Ort gesucht und nicht gefunden. Wir erinnerten uns, wie wir uns kennengelernt hatten, als ich sie mit Kurt Peters erstmals traf. Ich denke, es war Ende 1964 oder Frühjahr 1965, als ich noch die Folkwangschule besuchte und überall von Kopenhagen bis München Vorstellungen ansah, um mir klar zu werden, wo ich mich denn engagieren lassen wollte. Ich stand also in der Kölner Oper ganz vorn in der Reihe für Studentenkarten, da sprach mich eine junge blonde Frau mit Dutt an und fragte, wer ich denn sei, sie und Kurt Peters, der dazu kam, sähen mich überall. Und ich erklärte, warum ich so viel unterwegs sei und das muss sie wohl beeindruckt haben, jedenfalls entwickelte sich daraus die tiefe Freundschaft.

Kurt Peters kannte ich natürlich dem Namen nach, als den Herausgeber der Zeitschrift „Das Tanzarchiv“ und erst, als ich ihn kennengelernt hatte, begriff ich, dass hinter dem Titel tatsächlich ein Archiv stand, das man allerdings nur besuchen konnte, wenn man sich bei ihm einlud, denn es war ja eine rein private Sammlung von einer Unmenge Büchern, Zeitschriften, Fotos, auch Zeitungsausschnitten und überhaupt allem, was sich mit Tanz jeglicher Couleur befasst.

Die Wohnung, in der Gisela und Kurt und diese Sammlung wenig Platz hatten, war, glaube ich, irgendwo an der Aachener Straße. Nach hinten raus waren die Fenster zu einem gewerblichen Hinterhof, wo die Maschinen von morgens sechs Uhr an etwa zwölf Stunden lang ratterten, sodass man bei offenem Fenster sein eigenes Wort nicht verstehen konnte. Und für mich war es natürlich unverständlich, dass zwei so liebenswerte Menschen ihre Abende damit verbrachten, Zeitungsausschnitte, die von einem Ausschnitt-Dienst täglich in der Post waren, zu beschneiden und dann aufzukleben. Ab Mitte des Monats wurden Artikel für die nächste Zeitschrift redigiert und für den Satz fertig gemacht, und nicht zu vergessen die Fotos, die damals noch in schwarz/weiß für den Mittelteil ausgesucht wurden.

Dieser Zustand konnte so nicht bleiben und als ich eines Tages wieder mal vorbeikam, empfing mich Gisela und fragte, ob ich nicht mit Kurt mit dem Auto (ich glaube, sie hatten selbst nie einen fahrbaren Untersatz) irgendwelche Wohnungen ansehen könnte, denn sie wollten nun wirklich woanders hin. Ich hatte nämlich schon zu Ende meines Folkwang-Aufenthalts, als Mitglied des Folkwang Tanzstudios einen alten VW und verdiente ein bisschen Geld. So kam es, dass ich dazu beitrug, dass sie die Wohnung am Brüsseler Platz kauften. Und zu der Zeit war der Platz vor der Kirche grün, beschaulich und wie eine Oase. Wenn ich gewusst hätte, wie sich das Terrain entwickeln würde, hätte ich ihnen sicher nicht zugeraten. Allerdings konnte ich das gestern Abend ein wenig revidieren, weil Gisela, nachdem wir schon zwei Stunden über Gott und die Welt geredet hatten, meinte: „Komm wir gehen etwas essen“ und direkt vor der Haustür ist ein Lokal mit Garten, wo man bestens aufgehoben ist.

Man musste Kurt schon ziemlich bearbeiten, dass er mal einen Schwank aus seinem Leben erzählte und etwas aus sich herausging und „rausließ“, was mich interessierte, vor allem wie seine Karriere verlaufen war. Er war ja nicht so ein Schwätzer wie ich, was Jean Cébron, einer meiner vielen Lehrer einmal dazu verleitete, mir zu sagen: „Günter you talk too much“. Daher musste ich aus Horst Koeglers nach wie vor wichtigem Ballettlexikon seine Vita entnehmen. Aber eines steht nicht drin, und zwar, dass er in Aachen, das zu der Zeit, kurz nach dem Krieg noch tief katholisch war, mit Nika Nilanova in „Nachmittag eines Fauns“ die Titelrolle tanzte. Ich wollte Gisela immer mal fragen, ob er nicht nur auf dem Foto so wie ein Tänzer aussah, sondern auch einer war, denn ich hielt ihn dafür …

Noch gingen alle bei ihm ein und aus, die für die großen Zeitungen schrieben, wie Klaus Geitel und Horst Koegler und die anderen, die alle bei ihm als Kritiker angefangen hatten. Kurt wurde mit Peter Appel Leiter des Instituts für Bühnentanz, was mit sich brachte, dass auch das Archiv dort eine neue Bleibe fand, herrlich für die Studierenden, denn sie hatten oder hätten Zugriff auf diese Schätze gehabt.

Als Kurt in den verdienten Ruhestand ging, zog das Archiv wieder in die Nähe des Brüsseler Platzes, denn die Wohnung war natürlich zu klein für inzwischen tausende von Objekten und überhaupt kamen Zeiten des großen Umbruchs, denn eine Hochglanzzeitschrift, „Ballett International“ wurde auf den Markt geworfen und bemühte sich der internationalen Ballettszene gerecht zu werden und durch große Inserateinnahmen zu leben, was sich im Endeffekt als kein reales Business-Konzept erwies. Schließlich übernahm Ulrich Steiner mit seinem in erster Linie auf pädagogische Belange konzipierten „Ballett-Journal“ auch den Namen „Das Tanz-Archiv“.

Ich war inzwischen Ballettchef in Ulm geworden und die geographische Entfernung machte natürlich auch gegenseitige Besuche seltener, aber zu meiner ersten großen Premiere waren beide, Kurt und Gisela, da und hatten Freude, drei ihrer ehemaligen Schülerinnen Lioba Schöneck, Carla Welzel und Gaby Wycisk in „Carmina Burana“ auf der Bühne wieder zu sehen. Und das Heft gab es auch noch, als Helmut Scheier über „Coppelia“ eine Hymne schrieb. Wir haben uns natürlich auch immer bei der Kölner Sommerakademie getroffen und der „Woche des Zeitgenössischen Tanzes“ oder auch bei Premieren bei Pina in Wuppertal. Dass Kurt dann eine heimtückische Krankheit bekam, habe ich erst nach der Operation mitgekriegt und er war dann natürlich nicht mehr der Typ, der gleich fragt, „wo steht das Klavier“, sondern es blieben Jahre, die Gisela ihn pfleglich wieder auf die Beine brachte.

Er, der in diesem August hundert Jahre geworden wäre, bleibt einer der ganz Wichtigen für das Nachkriegstanzgeschehen, der dann auch einer der ersten sein durfte, der sich über den Deutschen Tanzpreis freute, wo Klaus Geitel ihm eine herrliche Laudatio hielt. Wer das Vergnügen hatte, ihm zu begegnen, konnte lernen, was Menschlichkeit bedeutet und größtes Verständnis für auch noch so abgedrehte Charaktere und Hilfe für jeden, der an seine Tür klopfte.

Kommentare

Noch keine Beiträge