„Nairobach“ von Jai Gonzales

„Nairobach“ von Jai Gonzales

Mit tiefem Respekt

„Nairobach“: Tänzer aus vier Kontinenten gemeinsam in Heidelberg auf der Bühne

Der Tanzabend „Nairobach“ ist nicht nur eine Demonstration des Tanzes als kulturelle Universalsprache, sondern ebenso eine Erkundung der Voraussetzungen des Miteinanders von sechs Tänzern aus Nairobi und fünf aus drei weiteren Kontinenten.

Heidelberg, 21/03/2014

Wenn Jai Gonzales choreografiert, dann überlässt sie nichts dem Zufall – aber vieles den Tänzern selbst. Die Choreografin des Unterwegstheaters hat einen untrüglichen Blick dafür, die besonderen, einmaligen Talente von TänzerInnen herauszufinden und gelten zu lassen. So ist der Tanzabend „Nairobach“ (eine Koproduktion des UnterwegsTheaters mit dem Heidelberger Frühling) nicht nur eine Demonstration des Tanzes als kulturelle Universalsprache, sondern ebenso eine Erkundung der Voraussetzungen des Miteinanders von sechs Tänzern aus Nairobi und fünf aus drei weiteren Kontinenten.

Bewegung braucht Raum. Daher bleibt die Bühne in der Hebelhalle für dieses Stück groß und die variable Bestuhlung wird – trotz des Runs auf die Karten – nicht bis auf den letzten Meter ausgereizt. Dafür ist im Hintergrund Platz für einen breiten Laufsteg aus Metalltischen, eine „Bühne auf der Bühne“, hinter der Lillevan computeranimierte visuelle Töne auf die Wände zaubert. Die hörbare Musik ist eine bunte Mixtur von Johann Sebastian Bach, teils vom Band, teils aber auch mit jugendlichem Drive live auf dem Flügel gespielt von Studenten der Karlsruher Musikhochschule (Arian Brendle und Uram Kim). Von oben setzt Norbert Mohr, Lichtmeister am Frankfurter Mousonturm, alles ins rechte Licht. Die Rahmenbedingungen sind also mehr als großzügig für eine Begegnung der besonderen Art: Das Heidelberger UnterwegsTheater hat nach zwei Produktionen in Kenia (2011 mit Kindern aus den Slums, 2012 mit einheimischen Profi-Tänzern) letztere zum Heidelberger Frühling eingeladen.

Das Zusammentreffen der unterschiedlichen Talente und Stilrichtungen, Techniken und kultureller Vorerfahrungen lässt Jai Gonzales ganz sanft geschehen. Es ist ein programmatisches Bild, wenn sich die vielen Tänzer erstmals als Gruppe formieren und sachte ausprobieren, wie viel Nähe zum Nachbarn geht und wie viel Abstand sein muss, damit jeder im wahrsten Sinn des Wortes Bewegungsfreiheit hat.

Die Gäste aus Kenias Tanzszene haben natürlich alle erst einmal auf der Straße tanzen gelernt: Streetdance Styles und Hip Hop ist ihre weitgehend gemeinsame Bewegungssprache. Aber es gibt sie natürlich auch, die Wurzeln des afrikanischen Tanzes. Wenn vier Männer gemeinsam zu springen anfangen – mit fast gestreckten Körpern, höher und immer höher, als wäre der Tanzboden ein Sprungbrett – dann sind die Stammestänze der Massai mit einem Mal ganz nah. Und wenn der erst zwölfjährige Derrick (ein Waisenkind) vom hünenhaften Griechen Stavros Apostolatos behutsam in die Arme genommen wird, dann ist das ein anrührendes Bild für das Verhältnis zwischen dem alten Europa und dem jungen Afrika.

Zum ganz selbstverständlichen Einbinden individueller Talente in ihre Choreografie gehört es auch, dass Jai Gonzales dem Tänzer Joe Karango Nene einen großen Wunsch erfüllt hat: einmal wie ein Opernsänger zu singen. Der zierliche Mann mit dem großen Bass tut dies mit einer Inbrunst und einem Stimmvolumen, das manchen Stipendiaten der Lied-Akademie des Heidelberger Frühlings ein bisschen neidisch machen könnte. Gesangslehrer Matthias Horn hat da in kurzer Zeit ganze Arbeit geleistet. Wie selbstverständlich fügt sich auch das Solo vom Besim Hoto (den man sicherlich nicht zum letzten Mal beim UnterwegsTheater gesehen hat) in die Choreografie ein.

Der größte gemeinsame Nenner vieler zeitgenössischer Tanzstile und Bewegungsfindungen – das Sich-Fremd-Werden der einzelnen Teile des Körpers – ist offensichtlich eine Erfahrung, die über Kontinentgrenzen hinweg verbindet. Am Ende zeigt eine Serie von Pas de Deux, wie Begegnungen aussehen können, in denen die Tänzer ihre Fremdheit nicht aufgeben müssen, sondern einbringen können – Bilder, die vom Publikum mit standing ovations belohnt wurden.
 

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