Augenblicke zwischen Vergangenheit und Zukunft

„ZERO“ ist eine Metapher für den Zeitpunkt des Neubeginns – choreografiert von der holländischen Choreografin Nanine Linning am Konzert Theater Bern

Bern, 22/12/2013

Momente, in denen sich Umbrüche und Veränderungen abspielen, bedeuten einen Bruch mit einer Gewohnheit. Die Zeit wird auf Null zurückgestellt. Mit „ZERO“ am Konzert Theater Bern beschreitet Nanine Linning neue tänzerische Räume. Die Choreografin spielt mit den Gesetzen der Gravitation. Sie konfrontiert den Zuschauer mit virtuoser Irritation. „ZERO“ ist eine Reise in die Fantasiewelt des Unbewussten. „Ich will das logische Denken abstellen und die Zuschauer dazu bringen, ins Unbewusste abzutauchen“, sagt Linning, „das Unbewusste ist 30 000 mal stärker als das Bewusstsein und damit die Zukunft der Menschheit“.

Linning thematisiert komplexe menschliche Lebensängste und Gefühle. „ZERO“ beginnt düster – mit dem Ende der Welt. Wesen zwischen Mensch und Tier, die nur für sich schauen – ohne Rücksicht auf Verluste. Tänzer mit schwarzen Kostümen und Gesichtsmasken in dichtem Nebel. Das Stück beginnt mit einem Ende, um von einem Neuanfang zu erzählen. „Das Leben geht in Kreisen. Alles hat einen Beginn und ein Ende“, so Linning, „Menschen haben Angst vor dem Ende. Doch ich bin neugierig auf das, was nach diesem Ende kommt.“

Den Sprung ins Unbekannte wagt der Mensch ungern. Linning zeigt neben dem düsteren Egoismus, auch die Resignation des Menschen auf Veränderungen. Die Tänzer sind mit Bändern an der Decke festgezurrt. Unermüdlich versuchen sie der herannahenden Stunde Null zu entkommen. Sie versuchen vor dem Ende zu fliehen, flattern panisch mit Armen und Beinen, um schließlich zu erstarren, zu resignieren.

Das visuelle Pendant von Linnings Choreografie zeigt sich in den Kostümen der Mode-Designerin Iris van Herpen. Die gebürtige Holländerin gilt als eine der visionärsten Designerinnen, die bereits Lady Gaga oder Björk einkleidete. Ihre Kostüme sind mysteriös, schillernd, schrill.

Das Berner Symphonieorchester spielt unter der Leitung von Mirga Grazinyte-Tyla und Dietger Holm Musik bedeutender Komponisten der Gegenwart. Auch hier ein Experiment des Wandels: leise nimmt die Bedrohung ihren Lauf, um sie mit zunehmender Intensität erlebbar zu machen.

Neuer Raum, um Schönes zu entdecken, beschreibt Linning zum Schluss von „ZERO“: die Schwerelosigkeit und Schönheit der Welt nach der Stunde Null. Asketisch bekleidet zeichnet das Ensemble eine Welt neuartiger Bewegungen. „Es sind Energien, die mich faszinieren und das Entdecken neuer Dimensionen“, erklärt Linning, "denn das Leben dreht sich um Energie.“ Als Choreografin hat sie die Chance, auf der Bühne neuartige Energien zu erschaffen. Mit „ZERO“ erzählt Linning in Bern beeindruckende Augenblicke zwischen Vergangenheit und Zukunft.
 

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