Bunt gemischter, humorvoller Tanzabend mit sieben Choreografien zeitgenössischer Tanzkreativer

„Lucky Seven“ in der Schauburg München

München, 19/06/2012

Seit vier Jahren gastiert die Gauthier Dance, die Kompanie des Theaterhauses Stuttgart, in der Schauburg, dem Kinder- und Jugendtheater in München. Der Leiter und Namensgeber des international wie national bekannten Ensembles Eric Gauthier begrüßt zum Vorstellungsbeginn in lässig-freundlicher Art das Publikum. Der Name sei Programm: „Lucky Seven“ ist ein bunt gemischter, stark humorvoller Tanzabend mit sieben Choreografien renommierter zeitgenössischer Tanzkreativer wie Hans van Manen und wie auch von Gauthier selbst. Moderner Tanz, erklärt Letzterer verschmitzt, besäße neben der konzeptionellen, vergeistigten Seite noch eine andere, nämlich die Lebensbejahende.

Der espritvolle Streifzug durch die Tanzmoderne beginnt mit „Lickety-Split“ von Alejandro Cerrudo, einem Sprössling der Hubbart Street Dance Company Chicago. Unverzüglich, blitzschnell – übersetzt man den Titel – bezieht sich auf den ruhelosen Bewegungsflow der Tänzer. In raumgreifende, fließende Tanzaktionen und intime Berührungen begeben sich sechs Kompaniemitglieder, begleitet von den anrührenden Akustikklängen des Indie-Folk-Musikers Devendra Banhart. Die Begegnungen von Tänzern in nadelgestreiften Hosen und Damen in graufarbenen Kleidchen, die doch an wenig an Negligees erinnern, entwickeln sich teils sinnlich, teils humorvoll. So klopft ein Tänzer gegen Ende eines Duetts im Rhythmus der Musik seinen Kopf gegen die Hüfte seiner Angebeteten.

Von niemand Geringerem als von Hans van Manen stammt die zweite Choreografie des Abends. „The old man and me“ spielt die melancholischen und derb-witzigen Facetten einer Partnerschaft durch. Der gleichnamige Song von Blues-Sänger J.J. Cale war hierbei titelgebend. Eine wahre Augenweide ist die rothaarige Anna Süheyla Harm im langen lila Abendkleid. Die elegante Erscheinung wird gebrochen durch vulgäres Po-Ausstrecken, durch das Zeigen des Mittelfingers und laszives Räkeln auf der Bank, dem einzigen Bühnenrequisit dieser Kurzchoreografie. Doch der Adressat, dargestellt von Eric Gauthier in Streifenhemd und brauner Weste, scheint unberührt von derartigen Verführungsaktionen. Humorvoll anzusehen ist der Wechsel von Zu- und Abneigung: Mal lässt man das Gegenüber einfach stehen, mal „pusten“ sich Mann und Frau gegenseitig auf, mal tanzen sie synchron die flinken chaplinesken Steps zur Musik von Igor Strawinsky. Mit Wolfgang A. Mozart werden die Bewegungen klassischer und mit den seitlich ausgestreckten Armen und zur Faust geballten Händen für van Manen typischer.

Gauthiers „Taiko“ ist der dritte Teil der choreografischen Septologie an diesem Abend. Inspiriert durch japanische Perkussion schuf Stephan M. Boehme eine fulminante Musikvorlage für Rosario Guerra, Florian Lochner und William Moragas. Mit hohen Drehsprüngen, Kampfschreien und im Scheinwerferlicht sich deutlich abzeichnenden Oberkörpermuskeln imitiert das Trio das Schlagen auf im Ständer stehende Trommeln. Eine mitreißende Power-Performance, gespickt mit archaischer Heroik.

Das Choreografenduo Paul Lightfoot & Sol León schuf mit „Shutters Shut” ein rhythmisch-taktiles Spiel zu Getrude Steins „If I told him: A completed portrait of Picasso“. Armando Braswell und Rosario Guerro interpretieren das von Wortwiederholungen und fehlender Interpunktion strotzende Gedicht der amerikanischen Avantgardistin mit einem dadaistisch-grotesken, stotternden Bewegungsloop. In „Susto“ dagegen arbeiten Lightfoot und Leon mit allegorischen Bildern. Aus einem großen, durchsichtigen Behälter rieselt Sand auf die Bühne – ein Sinnbild für den Wettlauf mit der Zeit. Zu Beethovens frenetischer, impulsiver 5. Sinfonie in c-Moll (op. 67) springen, stehen und schnellen die weiß kostümierten Tänzer und Tänzerinnen in und durch den Sandstrom. Faszinierende Eindrücke entstehen, wenn nach Momenten des Innehaltens Sand die Körper einstaubt, so dass die folgenden raumgreifenden Bewegungen in der Luft nachgezeichnet werden.

Passend zur Fußball EM präsentieren die weiblichen Ensemblemitglieder mit ihrem Kompanie-Chef einen spritzigen Tanz-Sketch über des Mannes liebstes Hobby. Roberto Scafati lässt in „Freistoß“ Charles Aznavours ultimative Liebeserklärung Sur ma vie erklingen, während in Zeitlupentempo die Spieler(Innen) grimassierend und posierend dem (unsichtbaren) Ball hinterher hecheln. Selbstverständlich inklusive Fouls, simulierter Schmerzen und „Big Brother is watching you“-Schiedsrichter Gauthier. Eine herrlich ironische Hommage an den Fußball! „The Sofa“ von Itzik Galili hat nichts mit Reinhild Hoffmanns „Solo mit Sofa“ gemein. In der Kurzchoreografie, ein Ausschnitt aus dem abendfüllenden Werk „Through Nana’s Eyes“, springt „er“ in akrobatischen Fangaktionen so lange hinter der Begehrten her, bis „sie“ ihn hat. Eine überraschende Wendung erhält das Stück, als auf dem Sofa plötzlich zwei Männer sitzen...

Nach minutenlangem Schlussapplaus verabschiedet sich die Gauthier Dance Company winkend von ihrem Publikum. Dieses kann nach einem unterhaltsamen wie anspruchsvollen Abend beschwingt und zufrieden nach Hause gehen − so wie die vielseitigen und hervorragenden Tanzpersönlichkeiten von Gauthier Dance, denn die haben es sich nach dieser fulminanten Vorstellung redlich verdient.

 

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