„Superbia“ von Niki Lista: Majon van der Schot, Lisa Freudenthal, Robert Skatulla.

„Superbia“ von Niki Lista: Majon van der Schot, Lisa Freudenthal, Robert Skatulla.

Kampftanz in Knieschonern

Tanztheater über den Hochmut: „Superbia“ von Nicki Liszta in den Wagenhallen

Stuttgart, 30/09/2011

Um „Superbia“, die Hochmut, geht es im dritten Teil der „Sieben Todsünden“ der jungen Stuttgarter Choreografin Nicki Liszta, jüngster und originellster Spross der freien Tanzszene der Landeshauptstadt. Bisher findet jede Station ihrer Projektreihe mit dem schönen Untertitel „Das Leben ist kein Ponyhof“ an einem anderen Ort statt, nach Rotebühltheater und Theaterhaus sind nun die Wagenhallen dran, nicht gerade der Ort für verfeinerte Tanzkunst. Auf dem bloßen, staubigen Steinboden der alternativen Rockkonzert-Location findet hier stattdessen handfestes Körpertheater statt, ein rabiater, gewalttätiger Tanz an der Grenze zum Ringkampf, der Knieschoner statt Spitzenschuhe braucht.

Unter einer kitschigen Sonne aus Lichterketten drängt sich die Band auf einer winzigen Bühne in der Ecke, noch auf den Lautsprechern sind Blümchen dekoriert. Stumpfsinnig bietet eine langbeinige Bardame Plätze an, das Publikum sitzt an Tischen, lungert auf Hockern und Kissen. Wir sind Teil einer Versammlung der Sekte der Superbianer, deren adretter Sprecher heute die junge Lisa in die Riten einführen wird. Sie allerdings ergreift rasch die Flucht, als es ihr ans Haupthaar geht. Aber Flucht ist unmöglich, jeder Ausgang wird bewacht… Stärker als in den bisherigen, theatralisch orientierten Stücken der Choreografin stehen hier lange Tanzszenen im Mittelpunkt: die Kampf-Duos, mit denen die flüchtenden Mädchen knallhart auf Linie gebracht werden, das willenlose und dumpfe Leiden der Eingefangenen, später das käferartige Krabbeln, Robben und Wälzen der Sektenanhänger, samt Heuschreckenhüpfern, Überschlägen und Sprüngen direkt auf den Körper. Die sieben hingebungsvollen Tänzer (die sogar live ihre Locken opfern) rennen gegen Türen und gehen die Wände hoch, Lisztas Bewegungsduktus ist so knallhart wie das Wummern der Bässe. Mit viel Blech, zwei Schlagzeugen und einer heftigen E-Gitarre pendelt die achtköpfige Band zwischen Indie-Rock und Folk, gehüllt in silberne Superheldenmäntelchen.

Nachdem sich die Sektenmitglieder in Trance getanzt haben, liegen sie keuchend am Boden und sind ganz offensichtlich entmenschlicht, denn unter ihrem Bellen und Sabbern wird nun eine verhüllte Göttin in hautengem Silber hereingetragen. Die Popdiva predigt auf Spanisch über die Schrecken der Globalisierung und ruft immer wieder „Ich bin das Licht“ ins Mikro. Bald schon wirft die Sekte ein neues Opfer wie ein Stück Fleisch herum, zum Schluss ziehen alle hinter einem großen Karussell-Schwan hinaus.

Wie in „Das Lux-Protokoll“, dem ersten Teil der Reihe, spielt ein einsames Schifferklavier den Abgesang. Erneut erweist sich Liszta als Meisterin im Erfinden origineller, bis ins Detail ausgefeilter Versuchsanordnungen, allein das Thema, die Sektenproblematik, wirkt dieses Mal ziemlich angestaubt. Hochmut und Demut sind vielleicht eher Fragen des Intellekts, hier aber wird ihr Wechselspiel von Anfang an nur körperlich beleuchtet, in einem Kampftanz von größter Intensität.

www.backsteinhausproduktion.de

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