Kaum Platz für die Damen im Palais Garnier

Der alljährliche Wettbewerb des Corps de Ballet an der Pariser Oper

Paris, 07/11/2010

Früher als sonst fand dieses Jahr der „Concours“, der Wettbewerb des Corps de Ballet der Pariser Oper statt – wohl, um den Tänzern den zusätzlichen Stress an Weihnachten zu ersparen, der regelmäßig durch die Proben für den Concours neben Proben für zwei große, parallel im Palais Garnier und in der Opéra Bastille gespielte Produktionen verursacht wird. Die Konkurrenz war diese Spielzeit vor allem unter den Damen hart: für diese waren insgesamt nur drei Posten zu vergeben, im Vergleich zu 11 Posten für die Männer; darunter je ein Platz als Solist und Solistin.

Doch sollte die Pariser Oper dieses Jahr keine neue Solistin bekommen, da sich die Jury in ihrer Entscheidung nicht einig war. Tatsächlich fiel die Wahl zwischen den Kandidatinnen schwer, und die Pflichtvariation aus dem 2. Akt von Kenneth MacMillans „Manon“ machte den Juroren die Entscheidung nicht leichter. Kaum eine hatte die Bühnenpräsenz und die Sensibilität, die diese Rolle erfordert, und auch in den freien Variationen hob sich niemand deutlich von den anderen ab – so blieb der Posten unbesetzt. Mit ähnlichen Schwierigkeiten hatten die Preisrichter in der Klasse der Coryphées zu kämpfen, zumal einige der Favoritinnen – wie Laurène Levy und Eléonore Guérineau – ihre Variationen nicht ganz fehlerfrei absolvierten. So ging der einzige Posten als Sujet verdientermaßen an Valentine Colasante, die sowohl in ihrer Pflichtvariation aus „Paquita“ als auch in ihrer freien Variation aus „Suite en blanc“ eine solide Technik und angenehme Präsenz bewies.

Die große Überraschung des ersten, dem weiblichen Corps de Ballet vorbehaltenen Wettbewerbstages war jedoch die blutjunge Sylvia-Cristel Saint-Martin im Rang einer Quadrille, die ihre Klasse mit einer auf Solistinnenniveau getanzten freien Variation aus „Sylvia“ (Choreografie: Lycette Darsonval) überflog. Sie stieg als einzige zur Coryphée auf. Unter den weiteren Kandidatinnen fielen Marion Barbeau und Léonore Baulac auf, letztere vor allem durch ihren frischen Charme, erstere durch eine sichere Technik und herrliche Balancen in ihrer freien Variation aus „Raymonda“.

Die Herren hatten am nächsten Tag mehr Glück: hier gab es gleich fünf Plätze als Coryphée (von denen nur vier vergeben wurden) sowie fünf als Sujet zu erobern. Aus der Klasse der Quadrilles wurden Pierre Arthur Raveau, Hugo Vigliotti, Alexandre Gasse und Julien Cozette befördert. Besonders die ersten beiden taten sich durch ihre Petite Batterie und Sprungkraft in ihren freien Variationen aus „Napoli“ bzw. „La Sylphide“ hervor, wobei Vigliotti mehr durch Energie, Raveau mehr durch Eleganz glänzte. Bei den „Coryphées“ gingen die fünf Posten als Halbsolisten an Daniel Stokes, Yannick Bittencourt, Marc Moreau, Cyril Mitilian und Allister Madin. Mag diese Wahl auch wenig erstaunen, so beklagt man doch die Abwesenheit von Sébastien Bertaud von der Liste der Beförderten. Er zeigte in der Frollo-Variation aus „Notre-Dame de Paris“, wie nuancenreich und theatralisch man selbst eine kurze, aus dem Zusammenhang gerissene „Concours“-Variation gestalten kann.

Den einzigen Solistenposten schließlich erkämpfte sich der solide Florian Magnenet durch sauber getanzte Variationen aus „Don Quichotte“ und „Etudes“. Doch hatten andere in seiner Klasse mehr Bühnenpräsenz, beispielsweise Yann Saïz, der in einer freien Variation aus „Other Dances“ die Tage vermissen ließ, in denen er öfter in Solistenrollen besetzt war. Bemerkenswert auch der junge Fabien Révillon, der in seiner originellen freien Variation aus „Das bucklige Pferdchen“ sowohl Leichtigkeit als auch Standfestigkeit bewies – mit Sicherheit ein künftiger Solist.

www.operadeparis.fr

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