Unerschöpflicher Reichtum des Tanzes

„Anmut und Disziplin. Tanz in der bildenden Kunst“ von Helga Thalhofer

Lüneburg, 13/12/2010

Weihnachten steht unabweislich vor der Tür, Panik „Was schenke ich wem“ bricht aus. Unnötig – hier ist das Buch für Tanz- und Kunstliebhaber und solche, die es werden wollen: „Anmut und Disziplin“, ein liebevoll gestalteter Band, der sich übersichtlich und kenntnisreich mit dem „Tanz in der bildenden Kunst“ beschäftigt. Autorin Helga Thalhofer zeigt auf, wie der Tanz, elementarer Ausdrucksweg der Menschen, die bildenden Künstler von der Antike bis heute fasziniert(e).

Dafür stellt sie meist jeweils zwei Abbildungen gegenüber, die das wortlose, aber vielschichtig beredte Phänomen Tanz aus oft verschiedenen Blickwinkeln mit unterschiedlichen Stilmitteln zeigen. Die sorgfältige Auswahl und der vorzügliche Druck der Bilder (und Plastiken) sorgen schon auf den ersten Blick für ein sinnliches, genussvolles Vergnügen. Sie verzichtet auf eine durchgehend chronologische, simple Aneinanderreihung, wählt vielmehr Teilaspekte, Stilmerkmale aus, wie z.B.: Die Muse Terpsichore, Ritus und Religion, Reigen, Romantik, Schleiertanz, Spanischer Tanz, Nachtcafé und Varieté, Linie und Bewegung bis zur Performance unserer Tage. So spannt sie einen Bogen von der Antike bis zur Gegenwart, verdichtet das Thema mehr und mehr zu einem Ganzen.

Jedem der 17 Themenartikel ist zur Einstimmung ein literarisches Zitat (Prosatext oder Gedicht) vorangestellt, dem eine kompakte, kundige Einführung folgt. Zu den jeweiligen Bildern, mit genauer zeitlicher Einordnung, erläutert die Autorin kenntnisreich und kurzweilig Stil und Bedeutung, bleibt leicht verständlich, ohne oberflächlich zu werden. Matisse, Picasso, Nolde, Kirchner und Beckmann, für die der Tanz im 20. Jahrhundert als Motiv diente, stellt sie als Beispiele des künstlerischen Engagements vor.

Die Vielfalt der Tanzmotive und ihre künstlerische Gestaltung berauscht. Da ist etwa Toulouse-Lautrecs unnachahmlicher Schwung in „Marcelle Lender tanzt den Bolero“, der dem der tanzenden Hure aus Athen (1. Jhd. v. Chr.) gleicht, oder Corinths tanzender Derwisch von 1904 mit saftiger Körperlichkeit, die auch Dürers tanzende Bauern (1514) widerspiegeln. Hodlers erotisch aufgeladenes, in Purpurtönen gemaltes „entzücktes Weib“ (1911) korrespondiert mit John Singer Sargents „Spanische Tänzerin“ (1880/81). Als Solitär ragt Jackson Pollocks „Rhythmischer Tanz“(1948) heraus, unterstreicht als letztes Bild die Bandbreite, mit der sich das unerschöpfliche Motiv erfassen lässt. Bei jedem neuen Durchsehen des Buches entdeckt man weitere Aspekte in den Abbildungen – diese Edition legt man nicht nach dem ersten Mal endgültig zur Seite, holt sie vielmehr immer wieder hervor.

„Die Begeisterung für den Reichtum des Tanzes wecken“ soll der Band. Das ist Helga Thalhofer exzellent gelungen.

„Anmut und Disziplin“, Tanz in der bildenden Kunst von Helga Thalhofer. 285 Seiten, 39,30 Euro. Wienand Verlag, Köln

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