Mit „Romeo und Julia“ zum Mount Everest

Peter Breuer und seine kleine Kompanie türmen gewaltigen Stoff auf

Salzburg, 12/12/2010

Weihnachtszeit auch in Salzburg, und im Landestheater ist das Handlungsballett mit dem vertrauten Titel „Romeo und Julia“ immer nahezu ausverkauft. Die Salzburger lieben ihren Peter Breuer, das hört man schon vorher auf dem Markt. Als Tänzer hat er in den 70-er und 80-er Jahren international Furore gemacht und dabei allein sechs verschiedene Ballettadaptionen von Shakespeares Liebesdrama getanzt: sowohl den Tybalt als auch Mercutio und Romeo. Jetzt leitet er seit 20 Jahren das „Salzburg Ballett“, und diese Erfahrung bestimmte ihn wohl dazu, seine Version der Veroneser Liebesgeschichte in den Ballettsaal zu verlegen.

Julia (Kristina Kantsel), Tybalt (Alexander Korobko) und Mutter Capulet (Cristina Uta) kommen neu in die Company. Im Training respondieren Romeo (Vladislav Koltsov) und Julia einander im Tanz, das Paar trifft sich im enger werdenden Kreis, doch der Ballettmeister (Josef Vesely) muss die gereizte Stimmung zwischen alten und neuen Tänzern energisch unterbinden. Als die Rollen für das neue Stück „Romeo und Julia“ verteilt sind, träumt das Paar im Tanz wie in der Realität seinen eigenen Traum, während zu Prokofjews Musik, auf die sonst der Ball der Capulets choreografiert ist, zwei Türme das Bühnenbild dominieren. An ihren Stangen recken sich links die rote, rechts die blaue Gruppe der Tänzer. Das sieht, zumal als Silhouette gegen helles Himmelsgewölk, gut aus. Viele Bewegungselemente sind fantasievoll erfunden und sprühen von Dynamik. Alle im schönen Bühnenbild von Dorin Gal entworfenen Ansätze werden in sportlichem Tempo nur angedeutet. Dabei jagt ein Zitat das nächste, doch keines bekommt genug Raum, um sich zu entfalten. So wirkt auch die Briefszene, in der sich Julias Freundin (Anna Yanchuk) tapfer zwischen dem Trio von Romeo und seinen Freunden behauptet, verwirrend. In der Balkonszene tanzt Julia oben, Romeo sportelt herbei und holt sie auf die Ebene der Tanzfläche hinunter. Der Liebesgeschichte wie auch dem Sterben Mercutios (Marian Mescaros) sind ihre Spiegelungen im Tanz abträglich, denn die kleinteilige Abfolge von Zitaten der Handlung lässt keine Entwicklung emotional nacherleben. Doch man hat auch gesehen, dass die Publikumsgruppen des Theaters im Theater italienische oder orientalische Kleidung tragen und dass aus dem Spiel auf der Bühne blutiger Ernst wurde, sodass man gespannt ist, wie es nun weitergehen soll.

In der zweiten Hälfte hat Peter Breuer Prokofjews musikalische Themen zu einem Medley der Gedanken Romeos umgestellt und erzielt Autonomie für seine Reflexion des Tanzdramas. Romeo fühlt, auf Lorenzo gestützt, erneut den Schmerz über Mercutios Tod, während sich dessen Kampf mit Tybalt in Zeitlupe wiederholt. Vor blauem Himmel tanzen Julia und weitere Frauen, ehe sechs Paare mit ihrem Tanz die gesellschaftliche Konfrontation evozieren. Mit dem Ineinander von Hoffnung und Abschied wie mit dem Schmerz der Sehnsucht bei gleichzeitiger Anwesenheit des Partners gelang Peter Breuer, der immer wieder mit schönen Übergängen zwischen modernen Bewegungsstilen und akademischem Tanz überrascht, ein Pas de deux seines Titelpaars, der als Ausschnitt viel vom originalen Drama transportiert und seinerseits von dessen Zusammenhang getragen wird. Eindruck machen auch manche Bilder: So wenn Lady Capulet ihrer Tochter die passenden Männer präsentiert, unter denen Julia wie ein Frühlingsopfer von ihrer Mutter gehetzt wirkt. Im Gegensatz zur Gewalt ihrer Eltern deutet Julias Duett mit ihrer Freundin auf eine Lösung. Sie wird anschaulich im schönen Effekt, den Dorin Gal durch eine schräge Rückwand erzielt: In ihrem Spiegel erklimmen die verfeindeten Tänzer mit ihren Bodenbewegungen gleichzeitig die Höhe des Bühnenraums. Auch Romeo und Julia, zunächst durch die volle Bühnenbreite getrennt, erreichen sich einander – eigentlich ein schönes Schlussbild! Aber hinter dem Paar, das nun fast nackt im wohltuenden Regen plantscht, turnen noch die im Käfig der Türme gefangenen Roten und Blauen. Sie brechen aus den Metallstangen aus, reißen das Paar auseinander, das in die Höhe der Türme entkommt! Von dort stürzen sie sich hinunter – das Bild der Twintowers entsteht – und finden sich endgültig erst im unantastbaren Jenseits.
Österreicher sind Sportler, lieben Berge und deren Bezwinger.

Peter Breuer hat mit seiner Fülle an Stoff wieder den höchsten Gipfel erklommen. Als neuer Intendant hat Carl Philip von Maldeghem, dem Ballett seines Hauses gewogen, es ihm und seinen mit Hingabe arbeitenden Tänzern mit der Aufstockung der Kompanie von zwölf auf 16 Mitglieder gedankt. Überdies findet im 20. Jahr der Ära Breuer ab 16. Jänner erstmals eine Ballettfestwoche statt. Das hat nicht einmal Wien!

Nächste Vorstellungen: 16./17./21./31. Dezember 2010, 19./28./30. Januar 2011, 9./17. Februar 2011 und 29. März 2011, www.salzburger-landestheater.at

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