„Erfolg ist das größte Scheitern, das ich mir vorstellen kann“

Ein Interview mit Antony Rizzi

Berlin, 28/04/2010

Schon zu seiner Zeit bei William Forsythe stieß Antony Rizzi das Publikum gerne mit Anekdoten aus seinem Sexualleben und bitterbösen Scherzen über die letzten Dinge vor den Kopf. Die obsessive Verbindung von Sex, Kunst und Tod findet sich auch in seinen eigenen Stücken wieder, trashigen Happenings, die trotz aller Abgedrehtheit immer wieder persönlich anrühren. Ab Freitag ist Rizzis neueste Produktion in der Berliner Tanzfabrik zu sehen. Frank Weigand sprach mit dem Choreografen über seinen Ärger auf das Fördersystem, Spiritualität in der Kunst und über die Freuden des Scheiterns.

Redaktion: Ihr neues Stück trägt den etwas sperrigen Titel „An Attempt To Fail At Groundbreaking Theater With Pina Arcade Smith”. Was verbirgt sich dahinter?

Antony Rizzi: Ich spiele dort drei Künstler gleichzeitig: den queeren Filmemacher Jack Smith, die Performancekünstlerin Penny Arcade und die Choreografin Pina Bausch. Alle drei haben gegen die Konventionen der Bühne rebelliert. Und mir geht es da ein bisschen ähnlich. Ich finde es schrecklich, wenn die Bühnenkunst immer mehr in einer Form steckenbleibt, die sich nicht bewegt, die nicht mehr atmet. Wenn die gleichen Dinge jeden Abend genau gleich ausgeführt werden, und es keine Spontaneität mehr gibt.

Redaktion: Ist „an atttempt to fail” („ein Versuch des Scheiterns”) als Alternative zu dieser langweiligen Perfektion gedacht?

Antony Rizzi: Ich habe den Titel gewählt, weil ich es schrecklich finde, wie in den USA und mittlerweile auch hier Kunst produziert wird – diese „Coffee-to-go”-Kultur, bei der alles nach kapitalistischen Kriterien ausgerichtet ist. Der Wunsch nach Erfolg ist genau der falsche Grund für einen Künstler, um Kunst zu machen. Ich will keinen Erfolg haben müssen. Erfolg ist das größte Scheitern, das ich mir vorstellen kann.

Redaktion: Also ist Ihr Stück eine Art Protest gegen das Fördersystem?

Antony Rizzi: Es ist doch absurd, dass du ein Jahr, bevor du ein Stück machst, eine genaue Beschreibung davon einreichen musst, um Geld zu kriegen. Es ist völlig unwichtig, wer du bist und wie deine Arbeit aussieht – es geht bloß darum, wie gut deine Anträge geschrieben sind. Dabei habe ich vorher nie Ahnung, wie mein Projekt aussehen wird. Sowas ist schließlich ein unvorhersehbarer und undurchschaubarer Prozess. - Aber der Hauptanlass für das Stück waren eigentlich die Nonnen.

Redaktion: Die Nonnen...??

Antony Rizzi: Zufällig traf ich eine alte Freundin von mir, die Nonne geworden ist. Diese Begegnung war so inspirierend für mich, dass ich unbedingt ein Stück daraus machen musste. Über diese Schwestern, denen es egal ist, was andere von ihnen denken und die unbeirrbar daran festhalten, dass das Allerwichtigste die Liebe ist. Das ist eine Art spirituelle Botschaft. Und auch jeder große Künstler hat eine solche spirituelle Beziehung zu Gott oder wie auch immer man das nennen will. Und als ich überlegte, welche anderen ähnlich konsequenten Menschen ich kannte, kam ich auf Jack Smith, Penny Arcade und Pina Bausch.

Redaktion: Das heißt, es ist ein Stück über die Verbindung von Kunst und Spiritualität?

Antony Rizzi: Ja, ein Kommentar darüber, was Kunst ist und was es bedeutet, Künstler zu sein – und darüber, wie die Leute Kunst anschauen. Die Nonnen zeigten mir einen Brief, den der Papst an alle Künstler dieser Welt geschrieben hat und den ich sehr schön finde. Er schreibt darin, dass das Leben jedes einzelnen Menschen wie ein künstlerisches Meisterwerk ist. Und auch mir geht es um die Beziehung zwischen Kunst und dem „richtigen Leben”.

Redaktion: Dieser Anspruch an die Kunst klingt stark nach den politisch engagierten Kunstbewegungen der 60er-/70er-Jahre. Können Sie sich damit identifizieren?

Antony Rizzi: Auf jeden Fall. Ich habe zwar nicht Kunstgeschichte studiert, aber ich fühle mich trotzdem mit diesen Leuten verbunden, vor allem, was das Brechen von bestehenden Regeln angeht. Ich will mit meiner Arbeit niemanden erschrecken. Ich will bloß zeigen, dass es wichtig ist, in Bewegung zu bleiben – in jeder Hinsicht. Denn sonst ist alles einfach nur tot. Es ist wichtig, daran zu denken, dass man Regeln auch ändern kann. Keep it moving, keep it moving!! (der Text erscheint ebenfalls in der Ausgabe 05/06 des Magazins TanzRaumBerlin.)

„An Attempt To Fail At Groundbreaking Theater With Pina Arcade Smith” von Antony Rizzi 30.4. - 2.5. jeweils um 20.30 Uhr in der Tanzfabrik, Möckernstr. 68, Berlin-Kreuzberg www.tanzfabrik-berlin.de

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