Cowboy-Stillleben und Bach-Adaption

Debüts zweier junger Choreografinnen bei den Tanztagen in den Sophiensaelen

Berlin, 10/01/2010

Ein Abend, wie er in Peter Pleyers Tanztage-Konzept für die Sophiensaele passt: denjenigen eine Chance zu geben, die kaum über choreografische Erfahrungen verfügen und zudem mit wenig tänzerischem Handwerk punkten können. Auf einem Festival, „wo keine Meisterstücke gezeigt werden“, bekennt er im Interview, könne „auch schon mal was in die Hose gehen.“ Dieses Risiko war bei zwei Debütantinnen im Hochzeitssaal latent. Transmediale Kunst hat in Wien An Kaler studiert, sich über Videoarbeiten der Verbindung von Performance und Bildender Kunst genähert. In diesem Jahr absolviert sie den Studiengang „Zeitgenössischer Tanz, Kontext, Choreografie“ am Hochschulübergreifenden Zentrum Tanz in Berlin.

„Save a Horse Ride a Cowboy“ thematisiert ihre eigene Reitpraxis, wie die reichlich geschwollenen Anmerkungen im Programmheft mitteilen. Zunächst jedoch lehnt sie lange, zu lange an einem Sattel in ansehnlichem Environment. Strohballen hat sie rechts vor niedriger Wand aus Styroporplatten postiert, links steht einsam ein kleiner weißer Zaun. Als Beamer-Bilder sich in fauchendem Wind bewegender Grashalme auf Ballen und Wand projizieren, wähnt man sich allein in weitem Ödland: der atmosphärisch schönste Teil des Stücks. Langsam hievt sich der Cowboy auf den Sattel, lenkt sich, die Füße im Steigbügel, beim Zeitlupenritt nach allen Seiten aus. Es folgt die Verwandlung: Kaler legt Reithose und Hemd ab, wird zur jungen Frau, die mit dem Cowboy-Sein gespielt hat. Platten und Ballen baut sie dann um, sieht sich beim echten Reiten auf dreigeteiltem Video zu.

Was sie mit dem Rücken zum Zuschauer werkelt, ob Trockenreiten oder Pferdepflege, bleibt Geheimnis. Aufbäumend wird sie selbst zum Pferd, stößt dazu wiehernde Laute aus, wippt sich in Ruhe, verharrt träumerisch am Zaun. Wieder tauchen Reitvideos auf, provokant richten sich Scheinwerfer aufs Auditorium, Landschaft erscheint, Grillen zirpen. Im totalen Stillstand verebbt, was ohnehin nirgendwo in Fluss kam: eine schwache Performance, die bestenfalls als bewegte Installation durchgeht.

Schadet Kaler zusätzlich ein Mangel an Persönlichkeit, darf man die der Schwedin Rosalind Goldberg durchaus attestieren. Im sportiven Body platziert sie sich auf einem Hocker, geht zur Ausgangsstellung ihres Solos „Suites with Rosalind Goldberg“ in eine Raumecke, lächelt in den Saal, plappert lautlos, bringt sich mit Schwüngen in Schwung für den Dialog mit der gewählten Musik. Sechs Sätze aus Bachs „Französischen Suiten“ sucht sie zu einem Kanon verschiedener Bewegungscharakteristiken zu binden, wird einige Male fündig im Motiv, weiß es indes nicht variierend zu verarbeiten. So dreht sie im Fuß-Hand-Gang als Vierbeiner über die Fläche, belässt es jedoch bei diesem originellen Thema den vollen Satz über. Auch der Lauf am Platz, der Entwicklung in den Raum hinein durch intensive Körperspannung wettmachen will, funktioniert nicht. Bachs kristallklare Klavierminiaturen hebeln den Tanz deshalb immer wieder aus, verlangen nach einem anderen Choreografen-Kaliber. Wie unverdrossen Goldberg mit Hilfe befreundeter Kollegen nach Material gesucht hat, vom Unterarmstütz auf dem Boden bis zum Trippeln auf halber Spitze mit wischender Handbewegung, schlägt ebenso positiv zu Buche wie am Ende der formale Bogen zum Beginn: Nachdenklich sitzt sie da wieder auf dem Hocker am Bühnenrand. Und sinnt schon darüber, ihren Halbstünder zur geplanten Trilogie auszubauen.


Bis 13.1., Sophiensaele, Sophienstr. 18, Mitte, Kartentelefon 283 52 66

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