Tanzrausch auf dem Dorfplatz

Energie pur: Das italienische Aterballetto gab erstmals ein Gastspiel in Köln

Köln, 22/03/2010

Es war ein Tanzabend, wie man ihn kontrastreicher nicht gestalten konnte. Drei Stücke hat das Aterballetto aus dem italienischen Reggio Emilia in die Kölner Oper mitgebracht, um sich hier erstmals mit einem Querschnitt seines Schaffens vorzustellen. Auf dem Programm standen das klassisch basierte „Omaggio a Bach“ (2000), das zeitgenössische „Pression“ (1994) und das folkloristische Schlussstück „Cantata“ (2001). Alle drei zeigten die choreografische Gestaltungsbreite eines Ballettes und vor allem seines Chefchoreografen Mauro Bigonzetti, aus dessen Hand allesamt stammen.

Kein Wunder, dass in den einzelnen Stücken, so weit sie auch stilistisch auseinander lagen, immer wieder Selbstzitate erkennbar waren. So zieht Bigonzetti die Tänzer gern zu einem Haufen in rhythmischer Bewegung zusammen, um sie dann effektvoll auseinander streben zu lassen. Die ohnehin äußerst energetische Tanzsprache des Aterballetto wird damit noch zusätzlich aufgeladen. Die Spannung entlädt sich dann in schnellen Sprungfolgen und Armbewegungen. Dabei scheint der Körper regelrecht zu zerfließen, so schnell fliegen und flattern Arme, Beine, Schultern und Hüften. Eine ebenso ungewöhnliche wie gewöhnungsbedürftige Tanzsprache.

Seit 1997 prägt Bigonzetti mit seinen Arbeiten das Aterballetto, seit 2008 als Hauschoregraf. In seiner „Hommage an Bach“ setzt er dessen Musik leicht und gefällig in Bewegung um. Das Stück beginnt (nach einer ebenso albernen wie rätselhaften Taschenlampenaktion) mit einem intensiven Männer-Solo zur Aria da capo aus Bachs Goldberg-Variationen und endet mit einer ungewöhnlichen Akkordeon-Version davon. Bis dahin verknüpft und verkettet sich das Ensemble immer wieder zu Paaren und Trios in engem Körperkontakt, um schließlich in einer effektvollen Bewegungsskulptur sich aufbäumender Körper zu enden. Damit durchbricht Bigonzetti die mathematische Symmetrie von Bachs Goldberg-Variationen zugunsten eines betont emotionalen Ausdrucks menschlicher Gefühle.

Freude, Trauer, Begehren vermitteln sich bei ihm in jeder Bewegung. Es ist ein sinnlicher Tanzabend voller erotischer Aperçus und Bewegungsintensität. In der Bach-Hommage sind es die engen hautfarbenen Slips, die im weichen Seitenlicht den Körper nackt erscheinen lassen. In „Pression“ werden zum kratzigen Cello von Helmut Lachenmann die ineinander verschmolzenen Körper zweier Männer entknotet, um dann in jedem Bild zu zeigen, dass sie doch zusammen gehören. In der „Cantata“, dem Erfolgsstück des Aterballetto, wird zu sizilianischen Volksstücken auf einem Dorfplatz wilde Lust und Leidenschaft temporeich und drastisch ausgelebt. Da wird geflirtet, gerangelt, geküsst und eng umschlungen geliebt.

Frenetischer Applaus für ein technisch perfektes und tanzfreudiges Ensemble und einen facettenreichen Choreografen. Es schien, als habe Chefchoreograf Mauro Bigonzetti dem Kölner Publikum vor allem Einblick in sein persönliches Schaffen geben wollen. Leider wurde damit auch die Chance vertan, das Aterballetto als fähigen Interpreten anderer Choreografien zu zeigen. Das Repertoire dazu ist vorhanden.

www.aterballetto.it 
weitere Tanz-Gastspiele an der Kölner Oper

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