Versprechen eingelöst

Maurice Béjart ist tot, aber sein Ballett lebt weiter

Lausanne, 23/12/2009

Das Béjart Ballet Lausanne (BBL) zeigt neben der Wiederaufnahme von «Ce que l’amour me dit» zwei interessante Uraufführungen ehemaliger Béjart-Tänzer.

Im November 2007 starb Maurice Béjart gut 80-jährig. Zuvor hatte er seinen Startänzer Gil Roman zum Nachfolger für die künstlerische Leitung des BBL erkoren. Mit dem Auftrag, einerseits die Werke des Meisters weiterhin in die Welt hinauszutragen, anderseits auch neue Kreationen für die Truppe zu erarbeiten.

An dieses Versprechen hält sich das Programm, das am Samstag im Lausanner Théâtre Beaulieu Premiere hatte. Es umfasst je eine Uraufführung von Joost Vrouenraets und Tony Fabre, die früher beide bei Béjart tanzten. Und endet mit einer Wiedereinstudierung von «Ce que l’amour me dit» zu Musik von Gustav Mahlers dritter Sinfonie. Dieses Béjart-Stück wurde 1974 von damaligen Ballet du XXe Siècle uraufgeführt.
Pathos. Beim Anschauen von «Ce que l’amour me dit» begreift man, warum Béjarts Stil immer wieder Kontroversen auslöste. Das Ballett ist oft schwülstig, schmalzig – in seinem Pathos letztlich aber doch mitreißend. Am Anfang und am Schluss präsentieren sich zwölf königlich gekleidete Gestalten. Dazwischen tanzen Frauen in dünnen Trikots und Männer, nur mit hautfarbenen Slips bekleidet, ihre Körperempfindungen und Liebesrituale.
Bei der Uraufführung verkörperte Jorge Donn, Béjarts früh verstorbener Lieblingstänzer, die männliche Hauptfigur. Jetzt hat Julien Favreau, der Donn ähnlich sieht, dessen Rolle übernommen. Eine Gestalt wie aus der Antike oder wie Michelangelos David, plastisch bis zum letzen Muskel. Der Tänzer bewegt sich wie ein junger Gott. Frauen lieben ihn, Männer erst recht. Die Choreografie changiert zwischen klassischem und freiem, orientalisch beeinflusstem Stil.

«Ismaël» von Tony Fabre erinnert gedämpft an Béjarts emotional-theatralische Stücke. Der Choreograf setzt Tänzerinnen und Tänzer ein, die dem Meister nahestanden, darunter in der Hauptrolle Gil Roman, den BBL-Chef. Der bald 50-Jährige mit seinem agilen Körper überzeugt punkto Einsatz und Kraft wie früher – ein Phänomen! Um ihn herum gruppieren sich Paare in wechselnden Kraftfeldern. Spannend, farbig. Aus dem Stück könnte man herauslesen, wie ein Tänzer allmählich aus dem Rampenlicht verschwindet, dafür im Hintergrund das Steuer übernimmt.

Bei «Ex Orbis» von Joost Vrouenraets dagegen denkt man nicht mehr an Béjart. Das ehrgeizig gestaltete, hervorragend getanzte Stück ist reich an Formen, dabei düster in der Atmosphäre. Drohendes Chaos wird in Schach gehalten durch ein hell erleuchtetes Oval in der Bühnenmitte. Es signalisiert Zuflucht, aber auch Gefahr – könnte sogar verstrahltes Gebiet sein, wo die Nerven der Tanzenden zu zittern beginnen.
Ab Tonträger erklingt zu beiden Uraufführungen Musik zeitgenössischer Komponisten, gespielt vom Kronos-Quartett. Wobei vor allem Kevin Volans’ «White man sleeps» zu «Ismaël» bezirzt.

Noch bis 23.12. in Lausanne

www.bejart.ch

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