Strawinskys frühe Vögel

Stefano Giannettis „Pulcinella“ und „Feuervogel“ in Kaiserslautern

Kaiserslautern, 09/06/2009

Im Dunstkreis des 100ten Jubiläums der Ballets Russes bereitet Stefano Giannetti, Ballettchef am Pfalztheater Kaiserslautern, für die nächste Spielzeit eine Hommage der legendären Truppe vor. Zum Warmlaufen hat sich Giannetti in dieser Saison „Pulcinella“ (1920) und den „Feuervogel“ (1910) vorgenommen. Ein stimmiger Strawinsky-Abend ist daraus geworden. Einziger Schönheitsfehler ist die Reihenfolge – der Chronologie wie den inszenatorischen Einfällen zuliebe, wäre nach dem etwas langatmigen Kampf zwischen Gut und Böse, wie er im „Feuervogel“ ausgetragen wird, die gewitzt-heitere Komödie der „Kleinen Küken“, wie „Pulcinella“ auf Deutsch heißt, besser platziert. Dennoch ist der zweiteilige Abend ein wahrer Leckerbissen für Freunde des klassischen Tanzes.

Die Musik, live aus dem Orchestergraben, bedeutet auch heute noch eine Herausforderung für alle Interpreten. „L'Oiseau de Feu“ ist Igor Strawinskys erste Ballettmusik. Seinem Lehrer Rimski-Korsakow und der russischen Musiktradition verpflichtet, schreibt der 27-jährige Komponist: „Die Manier Rimskis äußert sich mehr in der Harmonik und im Orchesterkolorit, obgleich ich ihn mit ponticello-, col legno-, flautando-, glissando- und Flatterzungen-Effekten noch zu überbieten suchte“. Uwe Sandner, der musikalische Leiter, hat nicht Strawinskys Originalkomposition verwendet, sondern der Orchestergröße angepasst eine Fassungen von 1945 gewählt, die, vom Komponisten eigentlich für konzertante Aufführungen gedacht, weniger spätromantisch als holzschnittartig den neoklassischen Charakter betont. Giannetti verzichtet auf Requisiten wie Feder und Ei, vertraut auf die Erzähl- und Zählkraft der Musik, des Tanzes und seiner Solisten. Adonis Daukaev schwankt in der Rolle des Prinzen Ivan zwischen zwei unterschiedlichen Frauentypen.

Der Feuervogel, Felicity Hader, eine wunderbar kapriziöse Flatterzunge, und die sanft anschmiegsame Prinzessin Gabriella Limatola wird fantasievoll von ihren vier Gespielinnen umgarnt. Kraftvoll und ausdrucksstark, an Harald Kreutzberg gemahnend, agiert Sobir Utabaev in der Rolle des Zauberers Kastschej, kraftvoll und ausdrucksstark meistern die Tänzerinnen und Tänzern Strawinskys schroffe, komplexe Rhythmen. Weniger opulent als vor hundert Jahren Golowin und Bakst, geben Jordi Roigs Kostüme und Bühne dem russischen Märchenstoff einen asiatischen Touch. Waren der Komponist und Picasso als Ausstatter einst nach Neapel gereist, um einige Wochen die authentische Commedia dell’Arte zu studieren, liegt Giannetti diese Art pantomimischer Karikatur im Blut. Keine tollpatschige Hanswurstiade, sondern ein Feuerwerk spritziger Ideen, perfekt auf die Musik gesetzt. Stefan Hammel gibt in der Rolle des Pulcinella einen herrlichen Gockel. Trickreich und temperamentvoll die Damen Pimpinella (Flavia Samper), Rosetta (Felicity Hader) und in der Charakterrolle der Prudenza Beatrice Cordua. Im Freudentaumel des Happy End tanzen und torkeln die drei Sänger und der Dirigent vom Graben auf die Bühne, während sich der Vorhang zur Pause schließt. Der Spaß ist spürbar, den Choreograf, Dirigent und nicht zuletzt die Tänzer bei dieser Produktion haben.

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